Hallo,
möchte einfach nur mal ein für mich ganz besonderes Wochenende schildern:
Bin am letzten WE einer Einladung meiner "neuen Schwester", die ich ja erst seit knapp einem Jahr kennen- und liebenlernen durfte (und die ich, wenn ich mich nicht meiner Sucht gestellt hätte, wahrscheinlich nie kennengelernt hätte) gefolgt und deshalb am Freitag nachmittag nach Kiel gefahren.
Zunächst einmal habe ich ganz bewußt eine Strecke über die Landstraße eingeschlagen. Eine Strecke, die früher die Großeltern oder auch die Eltern mit mir und meinen Geschwistern nach Kappeln fuhren. Die Fahrt dauerte zwar über eine Stunde länger als auf der Autobahn, aber egal.
In Kiel angekommen, erwartete mich ein Märchenabend im Garten meiner Schwester mit Lagerfeuer, netten Zuhörern und intensiv erzählten Märchen aus dem Orient, aus Dänemark und ein ganz kurzes aus Deutschland.
Am nächsten Tag - nach einem ausgiebig, liebevoll angerichtetem Frühstück - fragte meine Schwester, ob ich besondere Wünsche habe und ich bat darum, einmal in die Gegenden Schleswig und Kappeln zu fahren, weil ich dort eben als Kind sehr oft war. Hauptsächlich mit meinen Großeltern übrigens und mit sehr schönen Erinnerungen verknüpft.
Wir fuhren nach Schleswig an den Holm - ein wunderschönes Fischerdörfchen, in dem meine Großmutter aufwuchs. Danach gings in den Schleswiger Dom und von dortaus nach Haitabu ins Wickingermuseum. (Kann ich nur empfehlen).
Als nächstes suchten wir die "Kurvenstraße" von Schleswig nach Kappeln, die mit den vielen Orten mit -by am Ende. Die Straße, die in mir eine Erinnerung an "Kotzgeruch" (von meinen 3 Geschwistern) und damals unterdrücktem Hochgefühl auslöste, welches ich nie zeigen durfte (das es mir nämlich nicht schlechtging). Es war ein Genuß mich nachträglich zu freuen und diese Freude so richtig auszuleben.
In Kappeln gingen wir nach einem Bummel am Hafen auf den Friedhof. Ich wollte gerne wissen, ob das Grab meiner Urgroßmutter noch vorhanden war und ob dort inzwischen vielleicht weitere alte Menschen begraben lagen. Menschen, die ich aus Kinderzeit in Erinnerung hatte und mit denen durch meine Familienkonstellation der Kontakt noch während meiner Kinderzeit unterbrochen wurde. Was ich noch erwähnen möchte, ist, das der Friedhof von Kappeln außer, das er mitten im Städtchen liegt noch die Besonderheit aufweist herrliche Alleen von Bäumen zu haben, mit Bächen aufzuwarten und alles in allem ein wundervoller Platz ist, an dem man die Ruhe genießen, wirklich genießen kann. Wir haben das Grab nicht gefunden! Auch keine weiteren Gräber!
So suchten wir also die Straße, in der diese Menschen vor fast 40 Jahren lebten und wir fanden sie auch, nicht nur die Straße, auch das Haus und die Menschen. Ich klingelte und die Schwester meiner Großmutter meinte nach kurzer Überlegung: "Ach die Uneheliche!" Anschließend verwechselte sie mich ständig mit meiner Mutter, wollte alte Erbschaftsangelegenheiten klären, bewunderte wieviel ich behalten hatte von vor fast 40 Jahren und war ansonsten völlig emotionslos, eigentlich eher mit boshaftem Touch, aber nicht mir gegenüber sondern allgemein, egal was sie sagte. Wir haben den Besuch dann auch ziemlich schnell abgebrochen und sind nach Kiel zurück, wo uns Federweißer und Zwiebelkuchen samt einem urgemütlichen Abend erwartete.
Am Sonntag, nachdem wir mit meiner Nichte den Botanischen Garten und eine Schmetterlingsausstellung besucht hatten, bat ich meine Schwester, mit mir das Märchen Aschenputtel (welches mein Therapeut mit geraten hatte einmal für mich aufzuarbeiten) mit mir durchzugehen. Ihr müßt wissen meine Schwester ist von Beruf (hoffentlich kriege ich das richtig hin): Tiefenpsychologische Kunsttherapeutin mit Schwerpunkt bildsprachliche Kommunikation. puh
Also besser kann ichs gar nicht treffen. Sie las das Märchen vor und bat uns, im Anschluß ein Bild zu malen, etwas das uns beim Vorlesen berührt hatte oder eine Szene aus dem Märchen, die uns besonders gefallen oder eben nicht gefallen hatte.
Anschließend haben wir gemeinsam die Bilder analysiert. Das heißt, sie stellte Fragen, warum genau diese Szene, warum die Farben, welche Zusammenhänge, zu einzelnen Bildteilen usw. die Antworten gaben wir. Jeder für sein eigenes Bild.
Es war unendlich interessant und auch aufschlußreich. Ich kann es jedem nur empfehlen so etwas mal zu machen. Ich werde es auf jeden Fall - wenn sich die Gelegenheit wieder ergibt - wieder tun.
Märchen machen Mut - das kann ich nur bestätigen!
So, dass wollte ich einfach mal berichtet haben. Ist ziemlich lang geworden, aber ich hoffe doch, dass so einigermaßen rüberkommt, was ich sagen möchte.
Abgesehen davon, dass es ein WE ohne jegliche Verpflichtung war und ich es genossen habe bis zum Abwinken, war es ein sehr aufschlußreiches WE, eine Zeitreise, die mir u. a. aufgezeigt hat, dass ich mich jetzt auch ohne Spieldruck freuen und genießen kann, aus voller Seele und aus vollem Herzen mit allen
Sinnen!
Diese Erfahrung wünsche ich allen hier Schreibenden
Marlies