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"Ein letztes Mal noch"

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"Ein letztes Mal noch"
« am: 30 Mai 2019, 00:08:06 »
Hallo =)

Kurze Vorwarnung: der Text ist offensichtlich ein wenig länger ausgefallen als ursprünglich geplant und höchstwahrscheinlich ohne wirklichen roten Faden. Hab' einfach drauf losgeschrieben und das ist dabei rausgekommen:

Ich belüge mich bereits über ein Jahr lang alle paar Tage aufs Neue: "So, ein letztes Mal noch", "Diese Einzahlung noch - dann war's das!", "Na komm, jetzt machen die 50€ auch keinen Unterschied mehr". Manchmal auch damit, dass ich mir vorgaukle, komplett aufzuhören. Spannenderweise finden (teils auch) intensive Gedanken, wirklich abstinent zu werden, meist nur dann Einhalt, wenn ich wieder eine ausgesprochen erfolgreiche Session hinter mir habe und mir selbst sage "What the fuck, so kann's einfach nicht weiter gehen". Am nächsten Tag sind diese zwar nicht verflogen, aber irgendwo im Hinterkopf verstaut, wo sie so leicht nicht mehr aufgegriffen werden können. Es vergehen wenige Tage, manchmal, mit ein wenig Glück (no pun intended), sogar Wochen, bis diese Gedanken komplett verdrängt werden, wie als wären sie niemals da gewesen. Und im Grunde habe ich damit ja keineswegs unrecht: Es kann schlichtweg so nicht weiter gehen.

Kurz zu mir, damit man sich eventuell ein Bild machen kann, wer hier überhaupt tippt. Fand ich persönlich bis dato auch immer am aufregendsten, wer denn hinter den Worten in den Geschichten sitzt, die ich mir in den letzten Wochen durchgelesen habe. Ich bin zur Zeit 20 Jahre alt - und damit zweifellos einer der jüngeren Genossen hier - und studiere zwei Studiengänge in Österreich. Meine Anfänge mit Glücksspiel sind definitiv einzigartig und gleichen zweifelsohne keinen derjenigen, die hier vorgestellt wurden. Aber dazu vielleicht in einem späteren Beitrag, ich möchte ja schließlich den Rahmen nicht gleich im ersten Beitrag sprengen - was ich höchstwahrscheinlich trotzdem machen werde. Kurz gefasst: Ich bin seit ungefähr 2,5 Jahren glücksspielabhängig. Mal mehr, mal weniger. In den letzten Monaten tendiere ich eher zu erstem. Was sicher auch nicht unerwähnt bleiben soll: Ich befinde mich seit ungefähr drei Wochen in (Einzel-)Therapie. Gruppensitzungen oder SHG habe ich derzeit aus Zeitgründen noch nicht besuchen können, da diese immer stattfinden, wenn ich unitechnisch verhindert bin. Ich denke, Näheres zu meiner Person - da mir gerade nicht wirklich mehr einfällt, das hier von Relevanz sein könnte - werde ich in späteren Beiträgen hinzufügen.

Seit Dezember letzten Jahres habe ich oft versucht, mein Leben in den Griff zu bekommen, mich selbst. Anlass war mein größter Rückfall bis jetzt (dazu sicherlich auch in einem späteren Beitrag mehr) und die Ursache für diesen. Es konnte wirklich nicht mehr so weiter gehen, würde ich nicht bald etwas an mir ändern, würde meine Zukunft möglicherweise nicht so goldig aussehen, wie ich sie mir gern vorstellen würde. Ich habe anfangs versucht, intensiv an mir selbst zu arbeiten. Nach einigen wenigen, eigentlich fast ärbermlichen Versuchen habe ich es schlichtweg aufgegeben, es war mir zu viel Arbeit. Hab' mich als vor meinen Laptop gesetzt und eingezahlt, eingezahlt, eingezahlt. Im Endeffekt ist es mir nachher natürlich schlechter gegangen als vorher, aber das war zu diesem Zeitpunkt egal, Hauptsache, ich konnte mich irgendwie von der Lage ablenken, in der ich mich befand und heute immer noch befinde. Ich habe tatsächlich versucht, Feuer mit Öl zu löschen.

Während ich in letzter Zeit das Forum öfters durchstöbert habe, wurde ich oftmals damit konfrontiert, dass man eine Glücksspielsucht nur dann "besiegen" - auch wenn das nicht wirklich möglich ist - kann, wenn man ein gewisses Ausmaß an Eigenmotivation an den Tag legt, selbes hat mir auch mein Therapeut mehrmals bestätigt. "Toll,", dachte ich mir, "allein, dass ich mich zu einer Therapie angemeldet habe, wird schon Motivation genug sein". Spoiler: Ist es nicht. Ich war tatsächlich so naiv und dachte, das alleinige Besuchen einer Sitzung und die damitverbundene Beschäftigung mit meiner Sucht wäre genug.

Wie mir sicherlich jeder hier bestätigen kann, reicht es nicht, sich nur sitzungsintern damit zu beschäftigen - das ist im Grunde gar nicht möglich. Die Sucht verfolgt dich immer, sie lauert minütlich hinter deinem Rücken und wartet nur darauf, bis du nachgibst. Für mich war es ein unangenehmes Gefühl, sich nun aktiv damit auseinandersetzen zu müssen, und das ist klarerweise mit viel Arbeit verbunden. Dass ich nun wirklich aktiv etwas dagegen tun muss, war für mich genug psychische Belastung, mich irgendwie ablenken zu müssen - und das, obwohl mir vorausgesagt wurde, dass, besonderes zu Beginn, der Suchtdruck enorm sein würde, man wolle sich irgendwie ablenken, der Situation nicht ins Auge blicken. Also wollte ich mich ablenken. Und das tat ich genau so, wie die letzten Wochen, Monate und beinahe schon Jahre zuvor. Alleine zu Hause, vor meinem Laptop. Dort wo mich niemand beobachten würde, wie ich im Minutentakt mein Konto leerschaufeln würde. Genau das ist mir in den letzten Tagen passiert, ironischerweise genau an dem Tag, an dem ich einen Termin mit meinem Berater hatte. Ich denke, ich muss nicht ausführlich schildern, wie ich mich danach gefühlt habe: Enttäuschung, Scham, niedergeschlagen.
Ich habe in den letzten Tagen, besonders in den letzten Stunden, intensiv und viel nachgedacht. Nicht nur darüber, in welcher Situation ich mich befinde, sondern vor allem, wie ich dort hingekommen bin. Und ich bin zum Schluss gekommen, dass ich diesen Lebensabschnitt beenden muss. Und das wird nicht passieren, in dem ich leere Worthülsen im Internet verbreite, auch nicht durch wöchentliches Besuchen einer Therapie, der ich im Grunde nur entgegenarbeite, und besonders nicht durch scheinheiliges Arbeiten an mir selbst, das ich im Endeffekt ohnehin wieder ad acta lege, weil es unangenehm und anstrengend ist. Außerdem habe ich mir die Frage gestellt, welcher Mensch ich sein möchte. Einer, der von Glücksspielsucht geplagt und bestimmt ist, auf jeden Fall nicht.
Was genau es für mich aufzuarbeiten gilt, möchte und werde ich mit mir selbst lösen. Dieses, nennen wir es einfach so, Tagebuch möchte ich nebenbei führen. Es soll einerseits als Grund dienen, mich tatsächlich aktiv mit meiner aktuellen Situation auseinderzusetzen, andererseits bin ich immer offen für äußere Impulse.

Ich habe mir vorgenommen, im Rahmen dieses "Projektes" einige Themen abzuarbeiten, naturgemäß im Zusammenhang mit der Entstehen, dem Fortleben und dem hoffentlich baldigen Ende meiner Glücksspielsucht. Aber da das wirklich den Rahmen sprengen würde, was ohnehin schon längst geschehen ist (sorry dafür!), werde ich da später nochmals drauf eingehen.

Und zuletzt: ein Dankeschön an all diejenigen, die sich die Zeit genommen haben, diese wirren, vermutlich auch zusammenhangslosen Absätze fertig zu lesen!
« Letzte Änderung: 30 Mai 2019, 22:19:23 von HurraDieGams »

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Offline andreasg

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Re: "Ein letztes Mal noch"
« Antwort #1 am: 30 Mai 2019, 09:02:30 »
Hallo Hurra,

meine ersten Gedanken beim Lesen Deines Textes waren: "wo hat der das Manuskript abgekupfert"? dann "welchen höchsten Bildungsabschluss das der Schreibende"?

Alles mein krankes Hirn, das sich schwertut subjektiv empatisch zu denken.
Erst im Satz der widerstrebenden Handlung nach der Beratung, der Therapie kam bei mir ein Aha Gefühl auf. Ich will ja immer gerne meinen Therapeuten therapieren...

Mich würde eine sachliche Auslegung von Familie,  Studium, Beruf, Hobby -  Spielen ist nicht gemeint freuen.
Die Idee mit dem Tagebuch ist prima, Hurra.

Start me up

Schöne 24 Stunden Andreas
Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen

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Offline Olli

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Re: "Ein letztes Mal noch"
« Antwort #2 am: 30 Mai 2019, 18:13:42 »
Hi Hurra!

Herzlich willkommen!

Ich habe da zwei Anregungen ...

1. Du schreibst hier für Dich! Daher ist es egal, wie lange ein Text wird. Nicht ablenken lassen von imaginären Erwartungen Anderer ... :)
2. Thematisiere die letzten Tage bitte auch mit Deinem Therapeuten. Sicherlich musst Du Deine intrinsischen "Selbstheilungskräfte" nutzen um zu genesen. Doch das geht zumeist ja nicht von heute auf morgen ... also habe bitte Geduld mit Dir.
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: "Ein letztes Mal noch"
« Antwort #3 am: 02 Juni 2019, 18:21:09 »
Ich habe aufmerksam gelesen. Du scheinst clever zu sein. Du bist jung. Du hast noch alle Möglichkeiten dein Leben zum positiven zu verändern. Ich würde es an deiner Stelle versuchen positiv zu sehen. Du hast erkannt, dass Glücksspiel dir wirtschaftlich und emotional nicht gut tut. Du scheinst eine gute Bildung genossen zu haben und bist erst 20. Sei froh das du das Problem jetzt schon erkannt hast. Du wirst vermutlich noch viele Fehler machen, wäre doch schade den gleichen immer und immer wieder zu machen ☺. Ich habe so viel Geld und Zeit verspielt das mir schlecht wird, ich hätte lieber 1000 andere Sachen verkehrt gemacht anstatt gefühlte 1000x spielen zu gehen. Das ist immer das gleiche, die gleichen Gefühle, der gleiche Ablauf. Man verliert nicht nur die Zeit die man für das spielen aufbringt, sondern auch eingeschränkt die Zeit in der man das Geld dafür verdient und die Zeit in der man aufgrund von Verlusten mies drauf ist. Das Problem ist eigentlich simpel. Man hat sich etwas angewöhnt und merkt es tut einem nicht gut. Jetzt ist die Frage, ob diese Gewohnheit dein Schicksal besiegeln wird oder ob du sie ablegen kannst. Ich denke du schaffst es, ich wünsche dir wirklich alles gute. Man wird immer mal niedergeschlagen. Ich denke der Trick ist immer wieder aufzustehen. Ich spiele jetzt einen guten Monat nicht mehr. Ich denke die größten Veränderungen sind:

Ich habe mehr Zeit

Ich sehe Geld nicht mehr nur als "Geld für x Drücker mit y Einsatz

Die wichtigste und für mich auch beste ist aber mMn, dass ich diese Gefühlsachterbahn nicht mehr habe. Es ist ruhiger geworden. Jetzt gilt es diese Ruhe angemessen zu füllen. Ich bin jahrelang Achterbahn gefahren. Ich kenne die Strecke auswendig und ich weiß wenn ich wieder aussteige tut mir der Rücken weh. Warum sollte ich noch eine Runde fahren, ich saß schon 1000x drin.


Ein letztes mal noch ist übrigens mMn in vielen Süchten der Fall und einfach nur eine dämliche Begründung es heute wieder zu tun, es auch exzessiv zu tun, denn es ist ja das letzte mal. Das muss man ja ausnutzen. Ich staune selber wie ein sonst sehr kluger Mensch sich selbst mit einer so blöden Begründung belügen kann aber es geht, kenne ich von mir auch.

« Letzte Änderung: 02 Juni 2019, 18:26:35 von Gamblingsucks88 »

Re: "Ein letztes Mal noch"
« Antwort #4 am: 02 Juni 2019, 20:51:25 »
HI,

"EIN LETZTES MAL NOCH" - das hast Du treffend beschrieben. Ich staune da auch über mich. Und anders formuliert: wer würde eine Arbeit annehmen, nach dessen Ausführung man a) physisch wie psychisch völlig ausgelaugt wäre und b) wo man im wahrscheinlichen Falle dem Arbeitgeber anstatt des zu erwartenden Lohnes eine Entschädigung zahlen muss und im besten Fall einen mäßigen Stundenlohn erwarten darf? Auch hier staune ich über mich. Besten Gruß Schachfreund

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Auskuriert1

Re: "Ein letztes Mal noch"
« Antwort #5 am: 02 Juni 2019, 23:16:10 »
Ich staune da auch über mich. Und anders formuliert: wer würde eine Arbeit annehmen, nach dessen Ausführung man a) physisch wie psychisch völlig ausgelaugt wäre und b) wo man im wahrscheinlichen Falle dem Arbeitgeber anstatt des zu erwartenden Lohnes eine Entschädigung zahlen muss und im besten Fall einen mäßigen Stundenlohn erwarten darf? 

Die Antwort ist relativ einfach @Schachbrett-
"ein Süchtiger".
Und als Pathologischer ist man gleichzeitig weit entfernt von rationales Denken, Handeln und Verhalten.

Mach mal ein paar Jahre Spielfrei, dann wirst du erst recht nicht mehr ausm Staunen herauskommen  ;)

LG

Re: "Ein letztes Mal noch"
« Antwort #6 am: 03 Juni 2019, 00:05:27 »
Hallo Auskuriert, nur zur info. 2013- März 2018 war ich komplett @pielfrei,  dann drei Monate rückfall(übrigens in der Sunme mit "finanziellem Gewinn" aufgehört) dann wieder komplett spielfrei, jetzt einen einmonatigen rückfall. Ich passe nicht in Deine Schublade. Besten Gruß Schachfreund

*

Auskuriert1

Re: "Ein letztes Mal noch"
« Antwort #7 am: 03 Juni 2019, 13:40:25 »
Hey Schachmatt,

keinesfalls möchte ich Dich in einer Schublade stecken und wenn es vielleicht so rüber gekommen ist,
dann wahrscheinlich nur weil wir unterschiedliche Sichtweisen haben.

Einer meiner Sichtweisen ist z.B. :unten angekommen, einsichtig  -finanziell ausgelaugt ist es ein leichtes zu sagen, ich bin jetzt "Spielfrei".
Oder "Spielfrei" bist zum ersten Suchtdruck, dass kann Tage Wochen, Monate vielleicht auch Jahre dauern.
Eine wiederum andere variante: ich war jahrelang "Spielfrei" bis ich dem Suchtdruck nicht mehr standhielt, dazu eine Menge blababla und Rechtfertigungen...

Persönlich definiere ich Spielfrei mit einer Abstinenzentscheidung, was soviel bedeutet,
zwischen dem spielen oder nicht spielen passt keine Rasierklinge bzw. das Ding ist eine beschlossene Sache.

Oder abgekürzt (wenigstens für mein Verständnis)  Spielfrei bist du erst mit einer Abstinenzentscheidung -
und letzteres ist eine Entscheidung "ohne Spielraum" dennoch weit entfernt von Spielfrei ;)

LG
« Letzte Änderung: 03 Juni 2019, 13:43:12 von Auskuriert1 »

 

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