Hi NW!
Vielen Dank, dass Du Dich wieder angemeldet hast.
Nein, was mich betrifft, brauchst Du Dich nicht entschuldigen.
Ganz im Gegenteil möchte ich Dir meinen Respekt zollen, dass Du Dich so weit öffnen konntest.
Dafür danke ich Dir aus tiefstem Herzen.
Jetzt fühle ich mich ein wenig genötigt
, das Gleiche zu tun.
Dadurch besteht die Gefahr, dass ich einige Deiner Zitate negiere.
Beachte aber bitte, dass meine Vita für mich genau so real ist wie Deine für Dich.
Auch wenn ich einige Deiner Worte als Schlagworte nutzen sollte, so möchte ich mich nur auf mein Leben und meine Erfahrungen beschränken, meine gewonnenen Rückschlüsse daraus offen zu legen.
Das heißt ja nicht, dass sie global wahr sein müssen - es ist derzeit meine individuelle subjektive Wahrheit.
Also lege ich mal frei Schnauze los:
Meine Eltern legten viel Wert auf die Wahrheit.
Sie haben uns dies als "Wert" vermittelt.
Leider galt dies nur für uns Kinder - jedoch nicht für sie selbst.
Wir haben nie gelernt über unsere Gefühle zu sprechen.
Es gab ganz klare Vorgaben, wie wir uns zu verhalten hatten.
Als ich die ersten schlechteren Noten mit nach Hause brachte, wurde zuerst geschimpft.
Da erinnere ich mich deutlich an ein Zitat: Du bist nicht dumm, Du bist nur faul!
Wie sollte ich damit umgehen? ICH wusste doch, dass ich geübt hatte - stundenlang.
Sollte ich jetzt etwas zugeben, dass ich dumm wäre?
An dieser Stelle gebe ich zu Bedenken, dass ich mit ziemlich schlechten Augen zur Welt gekommen bin. Im Vorschulalter hatte ich bereits eine OP, wodurch überhaupt fraglich war, ob ich überhaupt Kinder hätte zeugen können.
Mit meinem Selbstvertrauen stand es also nicht zum Besten.
Eine alternative Sichtweise als zu Schweigen blieb mir da also verschlossen - z.B. gewisse Themen liegen einem einfach - andere wieder nicht.
Also was tat ich ... ich suchte den Weg des geringsten Widerstandes - ich verschwieg die schlechten Noten.
Natürlich kamen sie immer raus - und so wurde ich ausgeschimpft für die schlechte Note und das Schweigen.
Bei dem Schimpfen blieb es dann aber nicht. Es wurde geschlagen. Einmal sogar mit einem Gürtel.
Getrennt habe ich die Bestrafungen jedoch nicht von den Ursachen - schlechte Noten hießen für mich schlicht Ärger.
Mein Vater fühlte sich hilflos und wusste sich nicht anders zu helfen.
Er hat es dabei leider auch bewenden lassen.
Doch es wäre seine Pflicht gewesen, sich an dieser Stelle schon Hilfe zu suchen.
Keine Ahnung, wie oft ich von ihm beim Thema Handwerk gehört habe in meinem Leben:
Wenn Du etwas nicht weisst, dann frage ...
So pauschal er dies auch äußerte, es galt nicht für ihn und schon mal gar nicht zu dem sehr persönlichen Thema Erziehung.
Auch als ich später spielte und er mir gegenüber hilflos war, suchte er für sich keine Hilfe.
Meine Mutter tat es einmal - bei ihrer Hausärztin.
Sie lief seit Monaten mit Schmerzen herum und kein Arzt konnte etwas finden und ihr so helfen.
Also war der Grund ein Psychosomatischer - mein Spielen sollte die Schmerzen ausgelöst haben.
So wurde es mir dann auch präsentiert.
Schlussendlich kam heraus, dass sie zwei schwere Bandscheibenvorfälle hatte.
Vertieft hat sie die Frage bei der Hausärztin aber nicht weiter.
Auch in meiner Spielphase verschwieg ich immer wieder, wie es um mich stand.
Schweigen assoziiere ich heute aus meiner Vita heraus nicht nur als passive Handlung.
Im Gegenteil ... sie ist nicht nur eine reine Unterlassung.
Wenn sich ein Thema durch mein Leben zieht und ich permanent darüber schweige, so werde ich doch immer wieder damit konfrontiert und gezwungen sein eine Entscheidung zu treffen.
Immer wieder aufs Neue treffe ich sie - als aktive Handlung!
Dieses Schweigen unterscheide ich nicht vom Lügen. Es ist für mich das Gleiche.
Ich unterbinde mit ihr die Wahrheit. Nach meinem Gedankengang eben aktiv.
Durch mein Schweigen in der Spielphase habe ich mir Tür und Tor offen gelassen um immer schön weiter zu spielen.
Natürlich konnte ich mir einreden, dass ich die anderen Familienmitglieder schützen wollte - doch ich habe unterm Strich immer nur mich selbst versucht zu schützen.
Dabei wäre es ein Einfaches gewesen zu reden. Reden, Reden, Reden ...
Doch dazu war ich 20 Jahre nicht bereit - konnte es nicht - wollte es nicht.
Wie gesagt ... habe es ja auch nie gelernt.
Erst kürzlich habe ich jemandem von einem Erlebnis während der Schulzeit erzählt.
Da bat mich damals eine Lehrerin zu ihr nach Hause zu kommen. Wir wohnten nur 2 Straßen auseinander.
Ich ging zwar hin und stellte mich der Situation, doch ich wusste gar nicht, was sie eigentlich von mir wollte.
Sie hatte gesehen, dass ich sehr introvertiert war und bereits Probleme zu haben schien.
Doch was sollte ich ihr sagen? Welches Problem sollte ich haben? Ich sah es nicht ... kannte nur mein Leben so, wie es eben war. Für mich war es Normalität.
Mit meiner letzten Offenbarung wollte ich das ändern - intuitiv.
Nein, NW ... es geschah nicht brutal und gnadenlos ... es geschah in kleinen Dosen.
Doch anstatt zu reden, wurde ich raus geschmissen - in gewisser Weise verständlich, da ich ja vorher schon zigfach mich habe offenbaren müssen und nichts geändert hatte.
Als ich wieder aufgenommen wurde, da sagte mein Vater mit Tränen in den Augen: Suche Dir Hilfe!
Das tat ich auch - es dauerte zwar noch zwei Monate, doch dann ging ich in die SHG.
Mein Vater hat sich bis heute noch nicht Hilfe zu dem Thema geholt.
Gut ... jetzt braucht er es auch nicht mehr ...
Es hätte schon in meinen frühen Spielerjahren ihm geholfen.
Wie Du siehst, möchte ich es besser machen. Dazu ist es für mich wichtig auch entsprechend hart zu mir zu sein.
Du kannst anbringen, dass für Dich Schweigen Gold ist - alles OK - aus Deiner Sicht prima ... aus meiner Sicht ist und bleibt es eine "feige" Lüge.
Wenn ich etwas so Brisantes verschweige, dann nur, weil ich Ängste verspüre.
Gehe ich diesen Ängsten aus dem Wege, dann handele ICH für meine Person feige.
Das war ich im Grunde mein ganzes Leben lang und das möchte ich nicht mehr sein.
Vielleicht bin ich da auch so eisern, um mich noch mehr von meinen Eltern abzugrenzen.
Du fragst nach einer Beziehung - nun, auch dafür war ich zu feige.
Selbstredend habe ich mir eingeredet die Mädels, die es durchaus gab, nicht verletzen zu wollen.
Tatsache ist aber, dass ich nicht verletzt werden wollte. Ich wollte niemanden zu nahe an mich heran lassen.
Also habe ich sich anbahnende Beziehungen im Keime erstickt.
Auch damit habe ich Menschen verletzt.
Da hätte ich einfach nur "reden" müssen.
Weisst Du ... Deine Erfahrungen ... Dein Schmerz in Deinen Erinnerungen, der geht mir sehr nahe.
Ich habe da vollstes Verständnis für Deine Sichtweise - kann es aber nicht auf mein Leben transportieren.
Natürlich verletzen wir die Menschen, die wir lieben mit einer Offenbarung.
All die durch mich verursachten Verletzungen meiner Lieben würde ich gerne selbst aushalten anstelle der betreffenden Personen.
Du sagtest, nur Du würdest verletzt, wenn Du schweigst.
Kurzfristig gedacht ist das aus meiner Sicht zwar richtig.
Doch was ist mit "langfristig"?
Ich bin mir für mich sicher, dass ich damit langfristig eben auch verletze.
Wie ein guter Wein sein Bouquet über die Jahre vertieft, verstärkt sich im negativen Sinne auch das Maß der Verletzung, wenn es denn eben raus kommt.
Meine Erfahrung sagt nun mal, dass Lügen immer ans Tageslicht kommen. Ausnahmslos!
Wenn ich eine Partnerin hätte und sie würde krank oder sei es bereis, dann würde ich das gerne wissen wollen.
Ich wäre zutiefst verletzt, wenn sie es mir nicht sagen sollte.
Sie würde mir - speziell nur in diesem Thema - nicht vertrauen.
Wenn es heraus käme, würde ich jedoch daran zweifeln, ob sie mich noch in anderen Themen angelogen hat - mir generell nicht vertraut.
Ich würde die ganze Beziehung in Frage stellen!
Ich würde ihre Liebe zu mir in Frage stellen.
Na klar wären da der gute Sex und weitere gemeinsame Freizeitaktivitäten noch.
Das alles würde aber nebensächlich, weil es diesen immensen Vertrauensbruch gab.
Ja, ich sehe da eine Verpflichtung in der Partnerschaft offen über ihre Krankheit zu kommunizieren.
Wir wären ja zusammen, weil wir eine Lebensgemeinschaft gebildet hätten, in der wir nicht nur das Gute, sondern auch das Negative teilen wollten.
Mit ihrer Lüge jedoch beraubt sie mich.
Sie beraubt mich der Möglichkeit sie unterstützen zu können.
Sie beraubt mich der Möglichkeit überhaupt zu erkennen, was da gerade los mit ihr ist.
Aber das Wichtigste: Sie beraubt mich der Möglichkeit selbst Entscheidungen treffen zu können.
Es kann die Entscheidung sein sie zu unterstützen - oder eben nicht. Mich zu trennen, weil es mich zu sehr belastet - oder eben nicht.
Damit würde sie mich gefühlt bevormunden - sich über mich stellen in der doch eigentlich gleichberechtigten Partnerschaft.
Sie würde mich der Möglichkeit berauben, mich kundig zu machen zu dem speziellen Thema.
Ich würde gerne mit der Wahrheit verletzt werden, weil sie weit weniger brutal ist, als die Lügen.
Und auf Grund meiner bereits genannten Zweifel an der Beziehung - zusätzlich den Zweifeln an meiner Person, die ja vielleicht der Auslöser erst war für die Lügen - degradiert sich eine ansonsten doch scheinbar wunderbare Beziehung auf einmal zur reinen Zweckgemeinschaft.
Das heisst nicht, dass es eine ist - sie mutiert dann aber in meiner Vorstellungskraft dazu.
Egal wie schlimm die Krankheit wäre - ICH wollte darüber bescheid wissen.
Es gibt immer Anzeichen, die man selbst sehen möchte oder auch ignoriert.
Doch sie sind da.
Nehmen wir an, sie hätte Arzttermine. Klar, sie kann ja machen, was sie möchte, doch es sind eben widerkehrende "Fehlzeiten".
Ich würde nicht von ihr verlangen, dass sie mir nachweist, wo sie war.
Doch ich würde im alltäglichen Gespräch schon erwarten, dass sie mir von ihrem Tagesablauf erzählt, wie ich es auch mache.
Wenn sie das nicht möchte - auch ok.
Doch in Summe könnte es dazu führen, dass ich unbeantwortete Fragen habe, die ich vielleicht nicht einfordere, um ihr ihre Freiheit zu belassen.
Dann braucht sie teure Medikamente. Sie nimmt einen Nebenjob an um sie zu finanzieren.
Ich mache mir da dann stillschweigend Sorgen, eben weil sie so viel arbeitet.
Irgendwann frage ich mich dann aber auch, wieso sie sich von dem Geld nichts leistet?
Schuhe, Kleidung ... irgend etwas ...
In welche Kanäle wandert das Geld? Bunkert sie es um mich irgendwann zu verlassen? Finanziert sie sich da etwa einen Freund neben mir?
Ich war einmal mit einem Ehepaar befreundet. Er arbeitete mit mir in einem Büro.
Eines Tages wurde ich von ihr gebeten sie in der Mittagspause irgendwo hin zu fahren.
Nach ein paar Kilometern bat sie mich anzuhalten - lief um die nächste Ecke - kam tränenüberströmt zurück: Er betrügt mich schon wieder mit meiner besten Freundin!
Ich habe ihr sofort gesagt, dass sie zwar darüber mit mir reden könne, ich aber keinerlei Partei ergreifen werde.
Das ist mir in den folgenden Monaten unwahrscheinlich schwer gefallen.
Gerade in den Momenten, wenn der Kollege irgendeine Bemerkung machte, die nur ich verstehen konnte, da ich ja den Hintergrund kannte.
Wenn ich diese Situation ganz allgemein auf einen Spieler und seine Partnerin übertrage, dann hat diese die freie Wahl nichts zu sagen oder zu intervenieren.
Aber sie hat diese Wahl!
Meine Kollegen, die die Worte des Mannes auch gehört haben, reagierten unterschiedlich.
Den einen ist gar nichts aufgefallen - den Anderen kam es komisch vor (der Mimik sei dank konnte ich es ablesen).
Welche Rückschlüsse mögen sie gezogen haben? Welche Rückschlüsse mag die Frau des Spielers gezogen haben?
Unsere Lügen kommen immer heraus. Wir sind der Schlüssel dazu.
Entweder sperren wir eine Tür auf - oder aber verschließen sie.
Doch ich habe noch keine Tür gesehen, die nicht doch den Körperschall des dahinter Verborgenen in Gänze abschirmen konnte.
du siehst heute nur deine Eltern haben sich trotzdem nicht
damit beschäftigt, richtig, weil sie eben nicht geschult sind, keine fachleute ! Aber ei em sei dir gewiss, sie haben gelitten, jahre lang und konnten sie was ändern ? NEIN !!! Sie konnten nie was ändern, zu keiner zeit, NIE !
Doch - aber sicher hätte sie etwas ändern können - sich selbst!
Ihren Umgang mit ihren Gefühlen hätten sie ändern können.
Sie haben sich dazu entschieden eben nichts zu tun - was ihnen ja absolut zustand!
Sie haben eine Wahl treffen können.
Ja, ich war der Auslöser für viel Leid, welches sie erfahren haben durch mich.
Doch dass sie darin verweilt haben, das schmiere ich mir nicht aufs Brot.
Es war ihre Verantwortung für sich selbst zu sorgen und sie haben es nicht getan.
NW, ich erlebe es doch immer wieder, wie wir hier in den Foren und auch in den SHGs das Leid der Angehörigen etwas lindern können - durch Informationen - durch Erfahrungsaustausch.
Ich habe da allerhöchste Achtung vor den Angehörigen, die sich Hilfe für sich suchen.
Das soll aber hier nicht das Thema sein ...
Nun möchte ich zum Abschluss doch noch kurz auf Dich eingehen, NW:
Du bist längst nicht mehr der gewissenlose "Arsch", der Du einmal warst!
Diese Zeiten sind vorbei und das sollte Dir langsam auch mal bewusst werden.
Du bist sensibel ... einfühlsam und "liebenswert"!
Es ist egal, ob Du Rückfälle hast oder nicht - die gehören zum Suchtverlauf größtenteils dazu.
Du hast Dich entwickelt - bist auf dem Weg Dich was die Sucht betrifft zu verbessern.
Dies Tag für Tag ...
Also wirst Du es auch schaffen, Deinen eigenen Anforderungen gerecht zu werden.
Was Deine Verletzlichkeit zu dem Thema hier betrifft, lege ich Dir nahe, daran zu arbeiten.
Ich bin da bestimmt nicht der richtige Ansprechpartner ...
Vielleicht ja erstmal mit der Onlineberatung?
ich empfand sie als sehr kompetent ...