Hi NW!
Ich verstehe Deine Sichtweise ... kann sie aber nicht so ganz teilen und möchte sie daher ergänzen.
OK ... fangen wir einmal mit den Versprechen an.
Die, Schande über mein Haupt, habe ich auch gemacht.
Doch was folgte dann als Nächstes? Nichts außer weiter zu spielen.
Ich gab diese Versprechen immer, wenn ich erwischt worden bin oder mich outen musste.
Wie bei Dir gab ich diese Versprechen aus vollstem Herzen - und sie waren nach dem Gespräch schon nichts mehr wert.
Sie sind, so denke ich, einfach auch der Situation geschuldet.
Massiver finanzieller Druck, das Selbstbewusstsein am Boden, die Enttäuschung und der Schmerz auf den Gesichtern der Dir nahe stehenden.
Viel zu häufig wurde mir die Frage gestellt, wieso ich denn spielen müsse.
Wer von uns kann in diesem Stadium diese Frage beantworten?
Ich konnte es nicht und ich denke, das geht allen so.
Viele solcher Fragen ... keine Antworten ... da fühlt man sich ja schon fast gezwungen - aus den eigenen inneren Motiven - dieses Versprechen abzugeben, um wenigstens "etwas" vorweisen zu können.
Heute rate ich jedem von solchen Versprechungen ab.
Die ehrlichste Aussage ist einfach: Ich kann nichts versprechen, aber ich gebe Tag für Tag mein Bestes!
Hier stecken die "24 h" drin, die jeder von uns überschauen kann - das Heute.
Wenn ich aber dieses Versprechen gebe, dann muss ich auch etwas tun.
Ich bin mir selbst sowieso schon verpflichtet, was ja immer wieder gerne ignoriert wird.
Gleichzeitig möchte ich die mir nahe stehende Person auch nicht weiter enttäuschen und bin daher motiviert meinen Genesungsweg zu beschreiten.
Wenn sich hier jemand meldet, dann hat er Zeit sich darüber klar zu werden, ob er Hilfe annehmen möchte oder nicht.
Vor einem familiären Outing kann er sich informieren, was es für Hilfsmöglichkeiten gibt und was für ihn das Richtige sein könnte.
Aus Sicht der Familie, so mein Verständnis dieses Begriffs, hat man die Verpflichtung zu kommunizieren, wann es einem gut geht - aber auch schlecht.
Die Familie gibt Halt - sie fängt auf - sie motiviert - sie gibt Contra.
Die Familie basiert auf Vertrauen und Aufrichtigkeit.
Die Familie liebt - und wenn da nicht gerade ein Narzist darunter ist - bedingungslos.
Wenn wir uns einmal die Historie von Spielern anschauen, dann geht dem Einschlagen eines Genesungsweges oft eine jahrzehntelange Spielphase voraus (daher auch immer wieder ein Lob meinerseits, wenn jemand schon früh die Reissleine ziehen möchte).
In dieser Zeit haben sich viele sozial isoliert. Sie haben mehrfache Versuche gestartet abstinent zu werden und sind jedes Mal gescheitert.
Dies geschah zumeist "alleine" - und gehört nun geändert, da es ja nicht funktioniert hat.
Natürlich verstehen einen Menschen mit gleichem Problem und die Profis besser als die "Laien".
Das Leben besteht aber eben nicht nur aus Spielen.
Wann gehe ich denn spielen? Wenn ich mich einsam fühle, z.B.
Dann gehe ich zu meiner Familie und bin eben nicht mehr einsam.
Ich spiele, wenn mir langweilig ist - also unternehme ich etwas mit der Familie.
Ich spiele, wenn es mir zu gut oder zu schlecht geht - auch hier kann die Familie mich wieder erden.
Ich brauche also das Spielen noch nicht mal konkret zu thematisieren - die Familie ist da ...
sie fängt mich auf.
Viele Spieler nutzen ihre Familie finanziell aus.
Mit irgendwelchen Vorwänden (Lügen) werden sich Finanzspritzen organisiert (geliehenes/geschenktes Geld).
Auch hier hilft die Wahrheit nicht nur den eigenen Interessen, sondern schützt die Familie (und Freunde).
Mit dem Outing bekommt die Familie zumindest ein wenig Klarheit, was mit einem los ist.
Erfahrungsgemäß wissen sie längst, dass irgend etwas nicht stimmt.
Sie trauen sich entweder nicht zu fragen - oder werden beschwichtigt (belogen).
Um nicht die Integrität des Spielers zu verletzen, wird dann auch nicht nachgehakt.
Jetzt habe ich es ja schon gesagt ... wenn wir uns nicht offenbaren, belügen und betrügen wir sie über kurz oder lang IMMER. Wir mißbrauchen ihr Vertrauen in uns.
Die Offenbarung ist das genaue Gegenteil.
Sie hält mir heute noch vor, bzw sagt sie immer, ,, es ist ja vergessen, aaaber damals is soviel in mir zerbrochen " sprich sie hat bis heute nicht verstanden dass das ganze eine Krankheit ist
Natürlich ist eine Offenbarung kein Zuckerschlecken - für beide Parteien nicht!
Die Eltern wünschen sich ja für uns nur das Beste - und wollen auch nur das sehen!
Das Leben ist aber nicht eine "heile Welt".
Es besteht aus gut und schlecht und vielen Schattierungen dazwischen.
Hat Deine Mutter sich denn selbst einmal über die Krankheit Spielsucht informiert?
Meine haben es nicht gemacht und reagierten genau wie Deine Mutter.
Das ist aber weder Dein noch mein Problem - das ist ihres.
Oh ... das klingt so wahnsinnig brutal ... oder?
Nun, wir können ihnen ja helfen es wenigstens im Ansatz zu verstehen.
Außerdem gibt es genug Anlaufstellen, bei denen sich Angehörige informieren können/dürfen.
Dadurch verändert sich auch ihre Sichtweise zum Thema.
Ich kann auch verstehen, wie Deine Frau reagiert. Bei einem Freund ist das genau so.
Aber - sie weiss Bescheid und sie setzt Dir Grenzen!
Sie sagt Dir nun: Es ist Deine Krankheit, also kümmere Dich drum!
Respekt!
Ein weiteres Wort, bei dem Spielern oft die Haare zu Berge stehen.
Wir sollen anderer Leute "Grenzen" wahren ...
Wenn ich mich oute, dann sollte genau das auch geschehen!
Wir haben es nämlich durch die Fokussierung auf die Sucht ein ganzes Stück weit bereits verlernt!
Wir sind aber keine Erimiten, wir sind Rudeltiere.
Wir haben Regeln und Grenzen, an die sich jeder Einzelne zu halten hat, damit das Rudel auch funktioniert.
Danke NW, schöner und wichtiger Beitrag, der zum Nachdenken anregt! :-)