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Rückfall - wie weiter vorgehen?

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Rückfall - wie weiter vorgehen?
« am: 03 Januar 2018, 01:24:40 »
Guten Abend liebe Gemeinde,

es mag eine merkwürdige Uhrzeit sein hier zu schreiben aber ich muss das loswerden was mir auf der Seele liegt. Ich war bereits Mitglied hier und habe temporär geschafft die Spielsucht zu besiegen. Mit meinen 23 Jahren bin ich noch ein junger Hüpfer und sollte deswegen das Leben nicht wegwerfen.

Ich habe 2014 angefangen mit Sportwetten und habe natürlich wie wahrscheinlich jeder Süchtige, mit 2€ ordentlich gewonnen. Als damals angehender Student habe ich mich gefühlt wie der König und dachte ich würde ewig gewinnen. Die Einsätze stiegen, die Universität wurde vernachlässigt und 2015 endete dann die Strähne endgültig als ich bei einem Spiel von meinem Gesamtgewinn von 30.000€, binnen 120 Minuten bei einem Pokalspiel die Hälfte verloren habe. Es dauerte nicht mehr lang und so war ich bei 0€ und gehe seitdem nur noch ins Minus.

Sehr schnell habe ich begriffen dass das so nicht weiter geht und habe mich deswegen bei der Diakonie gemeldet und an der Selbsthilfegruppe aktiv teilgenommen. Es machte mir sogar tatsächlich Spaß und ich war gerne willkommen da ich auch anderen Teilnehmern nützliche Ratschläge geben konnte. Ende 2015 habe ich gar nicht mehr gespielt und fühlte mich grandios.

Lernte per Zufall im März 2016 ein tolles Mädchen kennen und hatte mit ihr die schönste Zeit meines Lebens. Man muss dazu sagen, 2012 habe ich meine Mutter an den Folgen von Krebs verloren und 2013 folgte mein leiblicher Vater, als er einen Herzinfarkt erlitten hat. Vollwaise zu sein war kein schönes Gefühl, vor allem nicht, wenn dann noch der Stiefvater dich nicht haben möchte und auf die Straße setzt. Das nahm ich ihm nie übel, sondern war sogar dankbar darüber, früh Verantwortung und Disziplin zu übernehmen.

Juli 2016 dann während ich in der Vorlesung saß, draußen tolles Wetter war und mein Leben lief kam ein Anruf. Es war meine Schwester. Sie sind gemeinsam nach Frankreich in den Urlaub gefahren, gemeinsam mit der neuen Lebensgefährtin und er hat morgens einen Herzinfarkt erlitten. Meine Welt brach zusammen, der einzige Mensch der mir Antrieb gegeben hat zu beweisen dass ich nicht wertlos bin wie er immer behauptete war nun weg. Ich war seelisch tot. Zahlte am selben Abend 200€ ein und verballerte diese natürlich ohne Sinn. Weitere Verlüste folgten. Vor seinem Tod noch fünfstellig im Plus gewesen, war ich nun sogar auf meine Freundin angewiesen nicht zu verhungern. Sie hat mich unterstützt und immer zu mir gestanden, allerdings brach sie Februar 2017 in Tränen zusammen und hat gesagt sie hat keine Kraft mehr. Schon das Schreiben bereitet mir gerade etwas Trauer, da wir nie Streit hatten und ich sie sehr geschätzt habe.

Nun war ich also wieder allein. Allein mit 3400€ Schulden, konnte kaum etwas zu Essen leisten und mein Leben bestand ab da an nur noch aus der Hoffnung den nächsten Morgen zu erleben. Ich habe mich wie so oft aber zusammengerissen. Stand mehrere Abende vor dem Spiegel und habe gesagt "du schaffst das Junge!". Ich besorgte nebenbei einen Teilzeitjob und studierte und arbeitete. Die Schulden waren weg, ich fühlte mich wieder großartig und nahm den Mut zusammen meine Ex im August auf einen Kaffee einzuladen. Ich hatte wieder abgenommen, ging regelmäßig zum Sport und strahlte einen hohen Selbstwert aus. Ich war wieder frei von Schulden und frei von Sorgen, nur noch das Ziel vor Augen die Uni abzuschließen und später arbeiten zu gehen. Wir hatten wieder regelmäßig Kontakt, mehrere Dates, allerdings stellte ich fest dass die Dame nebenbei auf anderen Hochzeiten tanzte. Ich war angepisst und habe es dann von mir aus beendet.

September 2017 kam dann wahrscheinlich der größte Absturz meinerseits. Die Universität hat mich auf Grund von Nichtbestehens exmatrikuliert. Drei Jahre für die Katz gewesen. Ich schaffte mich allerdings im Dezember 2017 wieder immatrikulieren zu lassen und habe nun die letzte Chance. Leider hatte ich in der Zeit überhaupt keinen finanziellen Zuschuss und musste mich von 450€ ernähren. Wovon 350€ an Miete weggehen. Ich bin zeitweise zwei Mieten im Rückstand gewesen, musste meinen Dispo ausschöpfen und bin seit drei Monaten durchgehend im Minus.

Da ist mir natürlich im Oktober 2017 die grandiose Idee gekommen mit Wetten alles auszugleichen. Ging sogar gut... 789€ mit 10€ gewonnen, aber natürlich nicht den Dispo ausgeglichen sondern alles wieder verloren. Ab Februar erhalte ich zusätzlich zu meinem Job wieder Zuschuss in Form von Waisenrente, allerdings habe ich kalkuliert dass ich erst April 2018 bei +/- 0 bin.

Die letzten Tage habe ich wieder alles verzockt was ich verdient habe, stehe aber zum Glück nicht mehr im Rückstand was Miete angeht.

Bin jetzt auch bei der Caritas zur Behandlung und habe einen Antrag auf ambulante Hilfe gestellt. Ich habe mich Online bei über 90 Anbietern sperren lassen, erstaunlich dass ich überhaupt bei so vielen angemeldet war.

Nun meine Frage an euch. Was habt ihr zusätzlich an Tipps wie man gegen den Suchtdruck ankommt. Es ist nicht einmal wirklich ein Druck, sondern Verzweiflung. Ich sage mir selbst "so jetzt gewinn nochmal 500€ und dann bezahl alles ab und dann hörst du auf". Allerdings ist das natürlich dämlich. Gibt es bestimmte Strategien? Habt ihr selbst Rituale die ihr nutzt um von solchen Gedanken zu kommen.

Bin über jeden Tipp dankbar und entschuldige mich für den langen Text.

Frohes Neues Jahr euch allen!

Re: Rückfall - wie weiter vorgehen?
« Antwort #1 am: 04 Januar 2018, 20:37:36 »
Hi,

Ich bin auch 23 Jahre alt und hab schon 40K verzockt.

Zu Dir:
Zitat
"so jetzt gewinn nochmal 500€ und dann bezahl alles ab und dann hörst du auf". Allerdings ist das natürlich dämlich.

Super dass du erkennst das es Blödsinn ist und auch nicht funktioniert mit Gewinnen Schulden abzubezahlen. Nur dauerhafte Abstinenz vom Glücksspiel lässt die Schulden weniger werden bzw. ganz verschwinden.

Gegen akuten Suchtdruck hilft sich abzulenken. Rausgehen, Sport machen, Lesen ect.

Wenn du auch einige Monate nicht mehr spielst wird es auch weniger.

 

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