Meine damalige Frau habe ich 1994 kennen gelernt, sie war wie ich Mitglied in der Kirchengemeinde. Auf unseren Gesprächen zum Kennenlernen erzählte sie von Ihrer Anarexia, ihrer Gluten - und Lactoseunverträglichkeit. Es fiel mir nicht sonderlich schwer, eizugestehen, daß ich Spielsüchtig bin, und für damals, 4 Jahre spielfrei. Sie kannte die Zwölf-Schritte-Gruppen und hat Therapie in einer Allgäuer Klinik gemacht, von der ich immer träumte, ich wolle da auch einmal hin.
Wir liefen Hand in Hand durch die Straßen und 1996 bezogen wir eine schöne Wohnung. Magersucht und Spielsucht brauchen viel Raum für Distanz, wir hatten 3 Zimmer, und manchmal reichte es nicht. Aus all dem tiefen Zutrauen wuchs bei mir eine Zwanghaftigkeit. Als wir 1998 heirateten, erhoffte ich mir einen gemeinschaftlichen friedlichen Konsenz daheim. Mein Damalige rief immer öfters im Betrieb an. Die Kollegen namen es gelassen, wenn auch ironisch hin, da hatte ich doch eine Toleranz erworben. Meine Zwanghaftigkeit wurde dabei aber immer extremer. Ich ging zum Psychiater und der gab mir Psychopharmake, intramuskulär auf Depot. Gleichzeitig meinte der Arzt, daß Medikamente nur unterstützen können, helfen kann nur ein Psychotherapeut. Ich bekam eine Liste der niedergelassenen Psychotherapeuten mit. Beim ersten Therapeuten in meiner Nähe bekam ich nach der Stunde Fressdruck, jedesmal zum Kiosk nebenan, Fanta uns Schokoriegel. Der nächste war in der Nähe meines Arbeitplatzes, ein Herr der Alten Schule mit seinen 64 Jahren.
Ich hatte manchmal Angst nach Hause zu kommen, weil sich die Krankheitssyndrome meiner Frau drastisch verschimmerten. Jedesmal nach Feerabend ging ich am Bahnhof und aß am Imbiss eine Bratwurst, so als vorausschauende Beruhigung. Nach der Spieler - Selbsthilfegruppe ging es in ein Lokal, Hähnchen und Pommes um 22:00 Uhr, in der Hoffnung wenn ich Heim komme, daß sie dann schläft... Irgendwann im Sommer 1999 kam ich Heim, da lag sie im Nachthemd bewußtlos im Badezimmer. Die Notarztzentrale sagte nur: 112. Die Notärztin flehte mich an nach Tablettenpackungen zu suchen. (Sie hatte vorsorglich alle sorgfältig vorher entsorgt, erzählte sie mir vile Jahre später) Mein Psychiater schrieb mich krank, damit ich Sorge trage, daß sie nach dem Krankenhaus in die Psychartrie geht, freiwillig(!), ich bin trotzem zur Arbeit gefahren, die Angst - den Arbeitsplatz zu verlieren. Aber gottlob hat sie es doch eingesehen und wurde von Klinik zu Klinik ins Landeskrankenhaus gefahren. Abends bin ich gleich los, habe Wäsche und Körperpflegemittel zusammengescht und bin mit der Taxe ca. 30 km zu der Stadt gefahren, in der die Psychiartrie war. In den kommenden Wochen bin ich immer wieder dorthin mit der Bahn gefahren, ich habe mich auf dem Weg dahin an Mauern und Zäunen festhalten müssen, solche Rückenschmerzen quälten mich. Zuerst hatte ich Einzeltherapie, sollte aber später in die Therapiegruppe kommen. Es war irgendwo eine Insel dem Doc., meinem Therapeuten meine Sorgen mitteilen zu können. Ich erholte mich,als sie später, wieder entlassen eine Reha, eine 3 wöchige Kur unternahm .
Dann habe ich auch eine Reha für meinen Rücken beantragt, im selben Ort. Es war im Advent 2001, als ich wieder arbeitslos nach der EDV - Schulung war. Ich weiß noch, daß ich mir für die 3 Wochen eine Stange meiner Zigarettensorte kaufte, mich beim nächtlichen qualmen auf dem Balkon verletzte und daß ich später nachkaufen mußte, wohl 40 Zigaretten täglich, und das in einer Klinik, die auch Rauchprävention anbot. Aber ich ging zu den Adventsgottesdiensten über den Kurpark zur Ev. Kirche. Da wurde eine Konzert angesagt: das Requiem von Gabriel Faure. Ich rief meine Chorleiterin vom Kirchenchor an, ob das was wäre...? Sie schickte mich mit Nachruck dahin. Es ist mir unvergessen, seit dem höre ich zu jedem Advent genußvoll auf CD an. Ich wollte über Weihnchten bleiben, keinen Psychostess zu Hause haben. Aber die Weihnacht 2001 verlebten wir friedlich. Meine Frau wollte in ein Kloster gehen und je mehr sie davon erzählte, um so mehr verstärkte sich das in ihr. Als unsere Trennung sich vollzog, bin ich einen Tag tief traurig am Mittellandkanal spazieren gegangen, dann hatte ich meinen inneren Frieden.
Es ging fast unproblematisch, die Möbel aufzuteilen, ich konnte für manches Abstand zahlen. Sie hat sich für mich gesorgt , daß ich beizeiten einen Anteil in eder Wohnungsgenossenschaft kaufe, und die Kündigung mit unserem Vermieter verlief problemlos. So saß ich qualmend in der halbleeren Wohnung, 10 Tage lang. Dann kamen die Freude meiner Spieler - Selbsthilfegruppe und erledigten meinen Umzug. Ich brauchte eigentlich nur Kaffee kochen, ein Gewitter ging rüber und die Therme funktionierte nicht. Es gab viel zu tun, aber nun konnte ich wirklich nur für mich selber sorgen, frei von Ängsten und Zwängen.
Ich will hier nicht weiter den Weg über Scheidung, ihrer Wiederkehr schreiben, nur so viel: Sie, meine Ex- hat mich Heute angerufen, als ich am Mittellandkanal spazieren ging und es war ein schönes entspanntes telefonat mit vielen Guten Wünschen gegenseitig.
Fortsetzeng folgt