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Soielverhalten verbessern - möglich? Oder illusion?

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Soielverhalten verbessern - möglich? Oder illusion?
« am: 11 März 2017, 01:48:20 »
Hallo Forum,
habe mich gerade hier angemeldet. Zunächst einmal zu mir: ich bin 24 Jahre alt, besuchte vor ca. 4 Jahren das erste Mal eine Spielothek. Das erste halbe Jahr sehr sporadisch, vielleicht alle 2 Wochen mal mit 20€, einfach aus Spaß. Auf lange Sicht wurde es immer schlimmer, unter Anderem, dass ich innerhalb eines Wochenendes meine Bafög-Nachzahlung (was jedoch jetzt schon wieder ca. 2 Jahre her ist) von ca. 1500€ an einem Wochenende komplett verspielte. Das Zocken wurde einfach immer mehr (vom Zeitaufwand her), jedoch habe ich nicht die degenerativen Züge, die wohl Andere haben, vom Einsatz her. Ich habe zum Beispiel kein Problem damit, selbst mit 200€ einstecken auf 5 Cent Einsatz zu spielen. Ich genieße das Spielen und spiele nicht zwangsläufig um zu gewinnen, da ich weiss, dass dies nicht möglich ist auf lange Sicht, ausser man spielt ausschließlich auf Jackpotanlagen, aber das ist mir zu großes Risiko. Darum gehts mir aber auch überhaupt nicht.
Ich bin süchtig nach dem Spielen an sich, das muss ich mir eingestehen, habe jedoch nicht die typischen Verhaltensmuster wie ich finde. Ich sage mir beispielsweise immer, ein Aufenthalt unter 3h oder so lohnt sich gar nicht. Wiederum - sollte ich bspw. 100€ einstecken haben, und habe nach 3h noch 80€, ist es ok für mich (dh. nicht unbedingt das typische "chasing losses" "Syndrom")
Ich hatte auch in den letzten Jahren schon Phasen von wochenlanger Abstinenz, einerseits dass ich kein Geld hatte (jedoch nicht durch das Spielen, sondern durch lang dauernde Bafög-Bearbeitung), aber auch schon zwei mal ca. 1 Monat spielfrei (was finde ich viel ist, wenn man sonst in der Phase min. 2-3 mal pro Woche gespielt hat).
Tut mir leid wenn das alles " wirr" klingt, ich hätte meinen Beitrag besser strukturieren könnnen und sollen. Jedoch meine Frage - mit diesen Gegebenheiten, sollte es möglich trotz exessiven Gegebenheiten zeitmäßig, durch Änderungen im Spielverhalten usw., das Ganze im Rahmen zu halten in welchem es sein sollte? Dass ich in einer Hinsicht süchtig bin, ist mir klar, da möchte ich bitte keine predigten. Jedoch finde ich trotz allem nicht, dass ich das typische Krankheitsbild habe. Ehrlich gesagt, ich möchte mit dem Spielen nicht aufhören, da es mir Spaß macht. Nur hat dieser Spaß, vor allem in der Vergangenheit, z.T. Oberhand genommen. Momentan bilde ich mir ein, dass ich zwar spiele, jedoch mein Verhalten dabei verbessert habe, dh. bei 5-10 Cent Einsatz bleibe trotz 100€ oder mehr plus etc.. Sollte ich mir dann wirklich Hilfe suchen? Oder bin ich dann noch auf dem "Inneren-Schweinehund-Level"? Wie gesagt, eventuell sehr durcheinander geschrieben, aber ich denke, der Sinn ist erkennbar.

MfG

*

Offline Olli

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  • 7.338
Re: Soielverhalten verbessern - möglich? Oder illusion?
« Antwort #1 am: 11 März 2017, 12:40:12 »
Hi Kevin!

Herzlich willkommen!

Ich denke, dass Predigten bei einer Sucht nichts zu suchen haben.
Das würde bloß innere Blockaden, wie Du sie selbst gerade verspürst, nur verstärken.
Doch ein paar Anregungen kann ich Dir liefern, über die Du nachdenken und sie annehmen kannst - oder eben nicht.

Nun denn ... fangen wir mal an ...

In eine Spielsucht zu gelangen - egal ob problematisch oder pathologisch - ist ein schleichender Prozess.
Das Spielen hat mir im Großen und Ganzen auch immer Spaß gemacht in meinen Anfangszeiten.
Mein Vater spielte gelegentlich und so war es für mich naheliegend ihm nachzueifern.
Mehrfach wöchentlich ging ich abends bis in die Puppen in eine Spielhalle.
Selbst wenn ich nicht spielte, verweilte ich dort gerne - zum Einen konnte ich trocken spielen , zum Anderen war dort eine angenehme Atmosphäre mit Leuten, die so waren wie ich.

Als bei mir die ersten "Probleme" auftraten, sprach man mit Engelszungen auf mich ein und meine Eltern schmissen mich auch mehrfach raus.
Doch das Spielen aufgeben wollte ich nicht.
Es hatte bereits einen zu großen Stellenwert in meinem Leben eingenommen.
Es gehörte mir - mir ganz alleine.
Nach dem Stress meines Jobs, Zeitungen austragen, nebenher für Arbeitskollegen und meinem Vater arbeiten, mehrere leitende Funktionen in einem Verein ... , konnte ich mich dem Spiel ergeben und all das für ein paar Stunden hinter mir lassen.
Ich tauchte ein in eine Welt der Illusionen und wenn es denn mal lief, genoß ich die durch mich strömenden Endorphine.

Zunächst spielte ich sporadisch. Hier mal ein paar DM ... dort mal ein paar.
Dann spielte ich in Kneipen mit anderen zusammen. Wir triggerten uns an und die Einsätze wurden größer - die eingesetzte Zeit natürlich auch.
Dann freundete ich mich mit einem Tankwart an und ich holte ihn abends von der Arbeit ab und wir fuhren mit meinem Auto zu irgendwelchen Spielhallen.
Zu der Zeit setzte ich schon deutlich mehr Geld als Suchtmittel ein und ich fing an mein Konto zu überziehen.
Tatsächlich geschah es dann, dass ich bereits am Tage meines Gehaltseingangens meinen Eltern kein Haushaltsgeld merh zahlen konnte.

Ich kürze die Geschichte hier etwas ab - im Laufe von 20 Jahren Suchtausübung habe ich einmal einen Kredit über 10.000 DM aufgenommen. Ansonsten investierte ich in meine Suchtausübung fast mein komplettes Gehalt - Monat für Monat.
Es gab auch Zeiten, in denen ich weniger spielte.
Dadurch hatte ich die Möglichkeit mir kleinere Autos zu kaufen und viele Reisen zu unternehmen.

Wenn ich Deine Wortwahl nutzen darf, bin ich nicht der "typische" Süchtige, der mit mindestens 30.000 € im Durchschnitt in der Kreide steht.

Selbst heute noch überkommt mich manchmal so eine Art Nostalgie, die mich zurück in die wenigen "glücklichen" Momente versetzt, in denen ich mal etwas gewonnnen hatte.
Ich weiss, dass es die Sucht in mir ist, die da spricht.
Sie darf das ruhig, lasse ich mich doch auf keinerlei Diskussionen mit ihr ein.
Sie verstummt daher genau so schnell wieder, wie sie aus der Versenkung gekrochen kam.

Ich habe nie gespielt um "Geld" zu gewinnen.
Was ich gewinnen wollte, war Suchtmittel, um die Suchtausübung zu verlängern.

Heute weiss ich natürlich, dass ich ungemein viel Zeit investiert habe, die ich meiner Lebensspanne entzogen habe.
Ich habe viel verpasst dadurch.
Mein jugendliches Erwachsenenalter ist an mir vorbei marschiert.
Natürlich kann ich dies nicht mehr ändern und verfalle deswegen auch nicht in Wehklagen.
Doch ich muss Dir dies schildern, weil Du gerade genau in diesem Alter bist und wie mir scheint meine Fehler wiederholst.

Im Gegensatz zu mir damals aber machst Du Dir Gedanken um Dich.
Selbst wenn Du sagst, Du möchtest das Spielen nicht aufgeben, bist Du somit schon einen Schritt weiter als ich damals.

Bleiben wir bei diesem Punkt: Wieso möchtest Du das Spielen nicht aufgeben?
Nur weil es so viel Spaß macht?

Da steckt sicherlich mehr dahinter.
Was füllt sonst so Dein Leben neben Deinem Studium?
Wie verstehst Du Dich mit Deinen Eltern? Wie sieht Eure Beziehung aus?
Wo siehst Du Dich in Eurer Familienaufstellung?
Hast Du Freunde? Unternimmst Du etwas mit ihnen?
Wo positionierst Du Dich in Eurer Freundschaft?
Hast Du eine Freundin?
Wie siehst Du Dich selbst? Bist Du mit Dir zufrieden?
Kannst Du etwas mit Dir anfangen?
Wie verkraftest Du Stress, Ärger, Kummer?

Welche Ziele hast Du für Dein Leben? Jetzt im Moment und für die Zukunft?

Kannst Du das mit einem "kontrollierte" Spielen, einer "kontrollierte" Suchtausübung erreichen?

Solltest Du Dein Spielen Deinen Lieben gegenüber verheimlichen - und davon gehe ich mal aus - möchtest Du diese Art der Lüge etwa künftig bewusst aufrecht erhalten?

Zu Deiner Frage: Ein echtes kontrolliertes Spielen gibt es nicht, wenn die Sucht einmal Einzug genommen hat.
Wir können noch so sehr versuchen uns zu reglementieren, letztlich setzt sich die Sucht immer durch mit einem Kontrollverlust, wie Du ihn bereits erlebt hast.
Dabei ist es absolut unerheblich, mit welchem Einsatz Du spielst.
Geringere Einsätze verlängern lediglich die Suchtausübung.

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Soielverhalten verbessern - möglich? Oder illusion?
« Antwort #2 am: 06 April 2017, 17:18:31 »
Hi Kevin,
habe Deinen Beitrag und die Antwort von Olli erst jetzt gelesen. Ich befasse mich derzeit viel mit dem Thema ob kontrolliertes Spielen gegenüber dem Ziel der Spielabstinenz für eine bestimmte Gruppe von Spielern, die nicht! im chronischen Suchtstadium sind, ein alternatives Ziel sein kann. Es gibt noch keine deutschsprachigen Forschungsergebnisse in diesem Bereich der Selbstheilung.
Ich finde übrigens, dass Olli Dir mit seinem Bericht über seine Spielsuchterfahrungen einen sehr guten Einblick darin gegeben hat, was man wirklich verlieren kann an Lebenszeit. Du hast leider nicht mehr darauf geantwortet.
Aber vielleicht versucht Du´s ja wirklich mal ernsthaft, wenn Du bei einem Trainingsprogramm mitmachst, in dem Du Dir Deine Ziele zum Spielen selbst setzen kannst. Es gibt hier inzwischen mehrere Möglichkeiten. Es geht dabei aber immer - wie beim Sport - um eine sehr gute Vorbereitung und am besten mit einem Coach zusammen. Mit Hilfe eines Reduzierungsprogrammes kannst Du mal realistische Erfahrungen machen wie sich das anfühlt, wenn Du weniger spielst, wie lange Du durchhälst und warum.
Es gibt eine APP:  http://www.verspiel-nicht-dein-leben.de/playoff/ zum runterladen  -
dann gibt es die Arbeitshilfe "In einer Spirale nach oben" -  das ist eine Reduzierungshilfe, die man aber zusammen mit einem Suchtberater durcharbeitet (es ist aber in jedem Falle Arbeit! da kommst Du nicht dran vorbei).
Wenn Du schreibst wo Du wohnst, kann ich Dir die nächste Fachstelle nennen, die Dir mit diesem Programm weiterhelfen kann.
Ich wünsche Dir, dass Du einen Anfang findest!
VG Hartmut

 

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