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Erfahrungsbericht eines ehemaligen Spielers

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Erfahrungsbericht eines ehemaligen Spielers
« am: 03 Juli 2015, 13:12:13 »
Hallo zusammen,

ich lese in diesem Forum schon seit einiger Zeit mit und habe beschlossen, mich doch mal anzumelden um meine Geschichte zu erzählen und zu zeigen, wie es auch gehen kann.

Ich habe ca. 7 Jahre lang regelmäßig an Automaten gespielt und in dieser Zeit ungefähr 200.000,- DM verzockt.

Mein Leben drehte sich in der Zeit nur um das Spielen und den Gedanken, wie ich an neues Geld kommen kann um weiterzuspielen.

Ich war damals als Zeitsoldat bei der Bundeswehr und verdiente dort nicht schlecht. Bis zur Hälfte des Monats (wenn es gut lief) war das Geld weg. Obwohl ich genau wusste, dass ich noch was zum Leben brauche, interessierte mich in dem Moment nur, dass ich meinen Kick vom Spielen bekomme. Den Rest des Monats hielt ich mich mit geliehenem.. oder besser gesagt geschenktem Geld - zurückgezahlt habe ich nie wirklich was - über Wasser.

Mit immer neuen Ausreden schaffte ich es immer wieder meine Eltern und Großeltern zu ,,bescheissen", damit sie mir Geld liehen.

Das Konto war natürlich auch immer am Dispo, Kredite waren bis ans Maximum aufgenommen.

Mich hat das Spielen 3 Beziehungen gekostet, Freunde hatte ich in der Zeit nur noch wenige. Aber das alles interessierte mich auch nicht.. wie ich an den nächsten Automat komme, das war wichtig.

Selbst das Unbehagen immer in die Spielotheken reinzugehen, die Leute die sich dort aufhielten waren nicht unbedingt das Klientel mit dem ich sonst zu tun hatte oder etwas zu tun haben wollte, hielt mich nicht vom Spielen ab.

Ich habe sogar teilweise ,,krumme Dinger" gedreht um an frisches Geld zu kommen.

Als Beispiel: Unterschriften meiner Eltern gefälscht, Eltern von Freunden beklaut, Geldkassetten meiner Großeltern aufgebrochen.. aber irgendwie bin ich immer damit ,,durchgekommen", will sagen, mit ist nie etwas ,,passiert"

Eines Tages habe ich mich selbst gefragt, ob ich dieses Leben so weiterführen will, ob ich noch weiter versinken will.

Ich habe vom einen zum anderen Tag beschlossen mit dem Spielen aufzuhören.

Das Ganze ist jetzt fast 20 Jahre her. Ich habe nie wieder eine Spielothek betreten, habe nie wieder einen Pfennig/Cent in einen Automaten gesteckt.

Ohne Hilfe von außen, ich war nie bei einer Selbsthilfegruppe oder einer Suchtberatung.

Es war mein Wille damit aufzuhören und ich habe es durchgezogen!

Ich gebe zu, ich habe zwischendurch, kurz nach dem Aufhören durchaus wieder daran gedacht spielen zu gehen. Ich dachte dann aber ,,Junge, du machst dir das jetzt nicht wieder alles kaputt" und habe es nicht gemacht.

Wenn ich heute über diese Zeit nachdenke kann ich innerlich nur mit dem Kopf schütteln, wie ich mich damals kaputt gemacht habe und nicht nur mich, sondern meine ganze Familie.

Es kann nur so gehen! Ist wie mit dem Rauchen. Entweder man hört ganz auf oder man lässt es bleiben. So wischiwaschi a la ,,ich reduziere mein Spiel, ich versuche es zu kontrollieren" funktioniert nicht.

Ich weiß nicht was es bei mir war. Vielleicht hatte ich Glück, vielleicht war es mein Wille, dass ich es alleine und von einem auf den anderen Tag geschafft habe, ich bin auf jeden Fall dankbar.. wem auch immer.

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Offline andreasg

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Re: Erfahrungsbericht eines ehemaligen Spielers
« Antwort #1 am: 03 Juli 2015, 23:05:11 »
Hallo Germanhead,

Deine Geschichte kenne ich - irgendwo auch ein wenig in mir. So manchmal schreibe ich einen Blog in der Plauderecke, gerade wenn es eine besondere Situation ist, die ich nicht kontrollieren kann. Das Glücksspiel kann ich nicht kontrollieren.
Voller Verzweiflung bin ich in eine Selbsthilfegruppe gekommen, nur, weil ich wissen wollte, ob es noch jemanden gibt außer mir, der täglich spielen geht. Das war vor 16 Jahren. Seit 25 Jahren bin ich frei vom selbstzerstörerischen Glücksspiel.
Trotzdem und überhaupt gehe ich in Selbsthilfegruppen und habe nach 3 Klinikaufenthalten noch Ambulante Therapie.
Heute habe ich keinen Spieldruck - mehr. Es sind aber immer wieder meine Persönlichkeitsstörungen die mir zu schaffen machen. Das ist wie ein unermüdlicher Quell, der früher meinen desolaten Spieltrieb in Bewegung hielt.
Heute finde ich konstruktivere Möglichkeiten und Wege mein Leben zu strukturieren. Auch lerne ich es gerade, Erfolge nicht klein zu reden, sondern anerkennen was ich tue und zu welchem Zweck. Ich höre mir die Meinungen und Erfahrungen meiner Mitmenschen an, bvertrete meine Meinungen und gehe meinen Weg.
Das sind eigentlich normale Vorgänge; nur, ich muß diese mir täglich neu abrufen.
Scham - und Schuldgefühle aus meiner Spielerkarriere können diesen Weg nur zusätzlich beschweren.
Daher sahe ich Dank für Deine Offenheit.
Schöne 24 Stunden
Andreas
Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen

 

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