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Online-Selbsthilfegruppen Glücksspielsucht
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Schlüsselerlebnisse

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Offline andreasg

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Schlüsselerlebnisse
« am: 27 Juni 2014, 12:41:10 »
Für mich ist es von Bedeutung, mich von meinem Rechner zu erheben, auf den Balkon zu gehen, durchzuatmen. So stehe ich auch auf, wenn sich draußen vor dem Haus etwas absspielt. Ein Mann mitteleren Alters spielt lautstark mit seinem Hündchen. Aha, der Ex - einer guten Freundin. Werde sie gleich anrufen und es ihr mittteilen ... Saß nicht auf der Bank neulich eine Frau, qualmte und schimpte ihr Handy heftig aus? Zwei Menschen, die nicht zu meiner Hausgemeinschaft gehören, die mir aber durch Selbsthilfegruppen bekannt und vertraut sind. Wenn ich nicht in Unterwäsche - noch ohne Kompressionsstrümpfe am Fenster gestanden hätte, wäre ich zur Dame runter, hätte den Rauch geschluckt und mich bemüht, sie wieder in den Meetingsraum zu ziehen.
Ich kann es mir auch als Frage stellen: Will ich das noch? NEIN! Mich daneben wind abgewandt auf die Bank setzen und einen Hund mal die Hand zum ablecken hinhalten ja. Ich brauche nur eben nichts dafür zu tun, ich brauche keine Erwartungen , keine Projektionen. Ich brauche niemanden mehr ändern, nur noch mich selber. Dienstag wollte ich in ein Meeting gehen, für Menschen mit dem Helfersyndrom, meinen 11. Jahrestag der Rauchabstinenz feiern. (Meine letzte Zigarette rauchte ich am 24. Juni 2003 vor 9:00 Uhr Morgens auf einer Fahrt im Regionalzug im Allgäu). So kam ich froh im Regen zum Meetingsort. Ein Din a4 Blatt verwies darauf, daß das Meeting wieder ausfällt. Eine Frau saß traurig rauchend  auf den Treppenstufen. Sie wollte nicht viel reden. Vielleicht hätte ich ihr doch die Krise klauen können?  - Gestern wollte ich kein Meeting. Hatte um 18:00 Uhr einen wichtigen Termin in der Kirchengemeinde im großen Gemeindesaal: Public Viewing in der Kirche. Die Kinder geschmikt, eine Seniorin mit schwarz-rot-goldenem Schal. Das Bier ging herum und ich erfrischte mich mit Cola. Es ist so leer, wenn ich die ganze Zeit zuhause nur in den Monitor, Computer oder Fernseher glotze. So zog ich los, zum Fahrradcorso in eine herrliche Abendstimmung. Später, im Fahrradabteil der S - Bahn saßen eben noch mehr geschminkte Menschen. Ich habe ja nicht nur den Schlüssel für das Gemeindehaus, wenn ich Dienst am Kirchenkaffee habe, den Schlüssel für einen Meetingsraum, den Fahrradschlüssel. Mehr noch den Schlüssel für meine Wohnung. Wenn ich mit mir in Frieden lebe, dann stellt sich Ruhe ein. Während  der Fußballübertragung stellte ich mein Händy auf "Besprechung". Um 19:33 Uhr kam ein Kontaktgesuch. Aber gerade da war es spannend. Ein trauriger Gedanke: Habe ich durch das Spielen schon einmal das wirkliche Leben versäumt? Meine Lieblingsfrage unter den 20: "Hast du schon einmal länger gespielt, als du eigentlich wolltest. Wo kann ein Nein Selbstironie werden, wo aufrecht. Wenn ich Ja zu mir selber sage, klingt ein Nein auch konsequent. Meine Gedanken und Gefühle gehen zu denen, die an Abenden mit Events wie der WM, den Schlüssel an sich nehmen, weil jemand vor der Tür stehen kann, auch wenn es der Person gut geht, oder gerade deshalb.
So kann ich nur hoffen, daß die - der AnruferIn um 19:33 Uhr wieder anruft und nicht locker lässt. Ich kenne das GFefühll: alleine im Raum zu sitzen, zu warten, zu zweifeln, zu grübeln, zu entspannen, zu singen - und plötzlich geht die Tür auf. Letzen Sonntag wurde ich so beschenkt.
Vorgestern unternahm ich einen Ausflug in eine Mittelstadt mit historischem Stadtkern. Es wurde eine Slalomlauf, den ich eigentlich kaum wahrnehme. Wenn eine Spielstätte kommt, wechsele ich auf die andere Straßenseite. So ging ich im Zick-Zack durch diese Fachwerkstadt. Eben mal nachgeschaut, wo die nächste Spieler SHG ist: Gut 80 km entfernt, "bitte nachfragen, ob ein Meeting stattfindet".
In dieser Stadt nun bin ich einmal gewesen um ein Fußballspiel zu sehen, live. Warum sollte ich nicht wiederkommen, ohne den Rauch des Vergangenen.
einfach nur ankommen und eine Tür öffnet sich.
Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen

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Offline andreasg

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Re: Schlüsselerlebnisse
« Antwort #1 am: 29 Juni 2014, 10:16:25 »
Heute ist Ehrenamtlichensonntag in unserer Kirche. Alle die ehrenamtlich tätig sind, werden bedacht und bekommen ein kleines Präsent. Letztes Jahr gab es einen Regenschirm in Regenbogenfarben.
Nun brauche ich dieses Jahr da nicht hingehen, es regnet nämlich! Natürlich ist es für meine Struktur wichtig und für meine Seele wohltuend, an Gottesdiensten teilzunehmen. Mir fallen nur gerade wieder einhunderttausend Gründe ein, nicht hinzugehen.
Diese Blockaden, gegen die mein Dickschädel anhämmert kann ich nicht alleine lösen. Derjenige, dem ich sie sorglos anvertrauen kann, - ist der Stifter der Kirche. Manchmal erfahre ich ihn dort auch, trotz der Kirche.
Wenn ich an meinen Ausflug zurück denke. Die Stadt mit vielen kleinen Fachwerkhäusern, in vielen im Ladengeschäft eine Spielstätte. Junge Männer stehen davor, mit Migrationshintergrund. Nur eins: der größte Arbeitgeber dieser Region ist vielen Spielsüchtigen Menschen bekannt, mein lieber Paul! Der angepasste Mensch darf ja nichts verrücktes tun, verzieht sich im Kämmerlein und schmollt. Daddeln am Computer kann auch ein Ausdruck von Ohnmacht sein. Wenn ich mir aber eine Frage über meine eigene Realität stellen darf. Wieso habe ich in der offenen Kirche dieser Stadt Zeit und Ruhe für ein Gebet gefunden und mich trotz schmerzender Füße beim Ausgang wieder frisch gefühlt?
Wie soll ich denn die Welt verändern, wenn ich nur noch dazu tauge, Kirchenblätter mit Hilfe meines Gehstocks zu verteilen und das Kirchencafé einzudecken, bei dem dann der Kaffee viel zu stark gebrüht ist? Immer zuviel Erwartungen in den Topf geschmissen. Was sich dann erfüllt, sind die Menschen die teilnehmen, ohne Bedingung. Manchmal bin ich grollig auf diejenigen, die mit dem Klingelbeutel durch die Kirchenreihen gehen. Warum finden jene so schwer Zugang ins Kirchencafé. Geld zählen? Wenn  es wirklich einmal sein kann , mit einem Mitglied des KV zu plaudern, kommen natürlich ethnische und soziale Grundsatzthemen in unseren Gesprächen vor. Für das Wetter dient der Regenbogenschirm!
Dieses einfach nur da zu sein, nichts leisten zu müssen, sich selber in der Gemeinschaft annehmen. Das Schreiben alleine - fällt mir schon schwer.
Besser ist es, ich freue mich auf Donnerstag Abend. Spieler Selbsthilfegruppe. Wer weiß, vielleicht keine Fußball - Siegesfeier. Vielleicht feiert ja jemand dann gerade seinen Trockengeburtstag vom selbstzerstörerischen Glücksspiel. Und wenn es regnet? Ich habe ja ein himmelblaues Cape bekommen. Das signalisiert ja, daß hinter dem Regenwolken die Sonne einen wunscherschönen Himmel bescheint, trotzdem.
Es reicht ja aus, wenn ich nur Heute nicht spiele.
Gott sei Dank
« Letzte Änderung: 29 Juni 2014, 10:32:36 von andreasg »
Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen

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freitagessen

Re: Schlüsselerlebnisse
« Antwort #2 am: 29 Juni 2014, 14:49:44 »
Cool ;)

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Offline andreasg

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Re: Schlüsselerlebnisse
« Antwort #3 am: 04 Juli 2014, 00:14:27 »
Heute - gegen 18:00 Uhr habe ich meine Wohnungstür zwei mal abgeschlossen und mich auf in den Stadtpark begeben. Besser, als mir einen neuen Computer zu kaufen. Wenn ich erst einmal stoisch in den Monitor glotze....!
So mit 44 Fotos auf meiner Digitalkamera kam ich pünktlich zum Meeting. Und es wurde wieder gefeiert. 90 Tage - und der mit den 24 Jahren vielleicht auch noch.
Sicher komme ich beim fotographieren in die Situation: wie erscheint ein Bild auf dem Rechner, will ich damit etwas ausdrücken, eine Stimmung einfangen - oder nur: hier Blume - da Baum - dort Teich. Gebe einmal zu zu, daß ich mir Menschen im Blickwinkel zu den Anlagen des Parks so gestalte, wie eben die Skulpturen dort. Möglichst natürlich,ungezwungen.
Im Meeting weiß ich so manchmal nicht was auf mich zukommt.
Vielleicht habe ich es schon vergessen, wie es sich anfühlt, 3 Monate dem Glücksspiel zu entsagen. So habe ich es Heute durch die Blume erfahren. Und ich habe es auch womöglich gelernt, daß ich mich nicht 24 Jahre quälen brauche um einmal eine Umarmung zu erhalten.
Da steht immer eine Tür offen, weil ich - in der Gemeinschaft - herzlich eingeschlossen  bin, fest und loslassend, wie in einer Umarmung.
Morgen Abend habe ich wieder einen wichtigen Termin im Gemeindehaus unserer Kirche, um 18:00 Uhr das Handy werde ich frei geschaltet lassen. Weiß Gott, wer gerade anruft, wenn die Schwarz-weißen und die Blauen ein Fest feiern. Ich gehöre einfach dazu.
Aber, nicht alles schwarz/weiß sehen.
Schöne 24 Stunden
Andreas

Freiheit vom selbstzerstörerischen Glücksspiel ist keine Leistung, für die ich Rechenschaft ablegen muß. Im Gegenteil, eine Befreiung von meinen Zwängen.
Wenn ich an meinen Einsegnungsspruch denke,ist es weit mehr.
Wie fühlt es sich an, wenn der Adler in seinem Gefieder einen sicheren Schutz gibt?
« Letzte Änderung: 04 Juli 2014, 00:43:37 von andreasg »
Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen

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Offline andreasg

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Re: Schlüsselerlebnisse
« Antwort #4 am: 15 Juli 2014, 10:55:40 »
Gestern Abend um 20:40 Uhr habe ich einen Spaziergang unternommen, der meiner verstopften Nase wieder Atemluft gab. Dabei dachte ich die Zeitspanne um 24 Stunden - zurück. Wie habe ich mich auf das Finale vorbereitet: ich hatte, zu der Zeit noch am Rechner sitzend das Vaterunser online gelesen - um dann in das Gemeindehaus der Kirchengemeinde zu fahren. Ich habe mir ein wirklich faires aber Spannendes Fußballspiel gewünscht, (bei Schweini mag da wohl ein Wackelkontakt gewesen sein) aber ausdrücklich keinen Sieg. Auch wenn ich ihn mir so wünschte. Ich habe mich auf einer sehr ruhigen Radfahrt auf meine eigenen persönlichen Niederlagen besonnen. Der Gedanke, in einer positiven Gemeinschaft Spannendes zu erleben, ist das Ende des Siechtums der Sucht. Als ich mich auf den Weg machte - und mich ferner auf den Weg mache, komme ich zurück in eine Geborgenheit. Gerade eben las ich in der Lokalzeitung, daß in einer Rotlichtspelunke "andere" Menschen abgewiesen wunden, ihrer Hautfarbe wegen. Wie oft bin ich schon abgewiesen worden und der Ort meiner Geborgenheit wurde die Spielhalle.
(habe gerade hier editiert, weil mir der Inhalt meiner Vergangenheit zu gruppenrelevant ist; die Gegenwart aber zeigt mir, wie sehr ich dazu gehöre. Als ich beim Öffnen der Tür zum Gemeindehaus hörte: "Da ist er ja endlich"! und das aus spontanem Munde, bleiben keine Zweifel mehr. Ich habe dem Administrator, den Ausrichter unseres kleinen Publik Viewing Dank zu sagen und das mit Freude. Jedenfalls klopfte ich ihm beim Abschied freundschaftlich auf die Schulter)
Ich glaube, es ist so wichtig sein Leben zu feiern, sich unbeschwert freuen zu dürfen, diesen heutigen Tag, an dem ich nicht Spielen brauche.
Schöne 24 Stunden
Andreas
« Letzte Änderung: 15 Juli 2014, 11:19:39 von andreasg »
Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen

 

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