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Online-Selbsthilfegruppen Glücksspielsucht
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Aufhören bevor es zu spät ist...

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Aufhören bevor es zu spät ist...
« am: 06 April 2013, 11:32:32 »
Hallo zusammen!

Hätte mir vor 3 Monaten jemand erzählt, dass ich mal so einen Beitrag schreiben würde, ich hätte denjenigen für verrückt erklärt.
Aber erstmal zu mir: Ich bin Samuel, 20 Jahre alt und Student. Vor etwa 3 Monaten bin ich via Werbung und Freunde auf Online-Sportwetten gestoßen und habe die ersten kleineren Wetten gesetzt.
Es kam, wie es kommen musste und mein Guthaben war bald verzockt... Niemals hätte ich mich damals als spielsüchtig bezeichnet, aber wie man halt so tickt, wollte ich den verlorenen Einsatz wieder rausholen; habe also begonnen, größere Einsätze zu spielen. Und verloren.
Das Geld für den Monat war verbraucht, ich habe angefangen alte Handys etc. bei Ebay zu verkaufen, um zumindest noch Essen für mich kaufen zu können.
Der nächste Monat kam und damit auch der nächste Gehaltseingang. Und wer gibt schon gerne vor sich selbst zu, dass er mehrere Hundert Euro an die doofe Spielindustrie verloren hat? Ich setze also wieder alles nach und nach ein, bis mein Konto wieder auf Null steht. Ich beantrage mehrere Kreditkarten, um den Monat irgendwie zu überstehen, schließlich hatte ich noch mehrere Rechnungen ausstehend für diesen Monat. Kaum habe ich Zugriff auf die Kreditkarten, habe ich wieder das Bedürfnis, mein verlorenes Geld wieder reinzuholen - ich verzocke das Geld bis zum Limit. Zwischenzeitlich fahre ich Gewinne ein, die meine Bilanz wieder einigermaßen ausgleichen würden - aber die Gier gewinnt natürlich. Ich verliere wieder einmal alles. Geld, das ich garnicht besitze.

Und nun sitze ich hier, es ist der 6. des Monats, mein Konto ist im Minus, die gesamten Kreditkartenlimits ausgeschöpft. Ich weiß nicht, wie ich meine ausstehenden Rechnungen zahlen soll, was ich die nächsten Wochen essen soll. Ich habe die Banken um minimale Krediterhöhungen gebeten, um den Monat zu überstehen.
Und ich möchte hier deutlich sagen, dass es an der Zeit ist, der ganzen Scheiße ein Ende zu setzen!

Ich gebe zu, meine Situation ist vergleichsweise harmlos im Gegensatz zu den anderen Beiträgen die ich hier lesen konnte: Meine Schulden betragen insgesamt nur etwa 2000€ und ich bin sicher, dass ich sie in den nächsten drei, vier Monaten abbauen kann, wenn ich nicht anfange zu zocken.
Deshalb schreibe ich diesen Beitrag; einerseits, um eure Unterstützung zu erfahren, andererseits, um mir selbst den Text immer wieder durchlesen zu können, wenn ich mal wieder ans Spielen denke. Denn das tue ich, so abstrus es klingt, sogar in dem Moment, indem ich diesen Beitrag schreibe.

In der Hoffnung, dass ich diesen Monat gut überstehe und auch in Zukunft "clean" bleibe, wünsche ich den "Mitleidenden" viel Erfolg auf ihrem Weg!

LG, Samuel 
 

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freitagessen

Re: Aufhören bevor es zu spät ist...
« Antwort #1 am: 06 April 2013, 18:49:52 »
Hallo Samuel

Herzlich willkommen hier im Forum.

Das Sucht potenzial in Bezug aufs Glücksspiel ist Extrem groß, aber diese Erfahrung hast du schon gemacht!!

Normal weis man nicht wie sein Zukunft aussieht, aber als Spieler kann ich dir sagen, das wird auf jedenfall kein gutes Ende haben, und dass das so ist, da kannst du dir 100%tig sicher sein.

Es kann nur böse enden, und ich spreche/schreibe hier aus eigener Erfahrung.

Aber.................

Du hast sehr Früh dein/das Problem erkannt, und weil das so ist hält sich dein Persönlicher/Finanzieller Schaden noch in Grenzen. (noch)

Es gilt jetzt für dich Vorsorge zu treffen, ein erster Schritt hast du schon gemacht (dich hier angemeldet).

Als nächstes würde ich eine SHG (Selbsthilfegruppe) aufsuchen, diese gibt es mittlerweile genügend, es gibt hier viele "Leidensgenossen" die das Problem "Spielsucht" kennen.

Diese Sucht darfst du keinesfalls unterschätzen !! (das wäre ein großer Fehler)

Ich habe nichts in mein Leben kennengelernt was eine solch zerstörerische Wirkung auf mich und meine mitmenschen hat wie diese "Spielsucht".

Spielsucht kommt schleichend, ist wie ein Sumpf, und du wirst immer tiefer hinein gezogen.
Jetzt wo du noch handeln kannst, solltest du auch unbedingt handeln, das verloren Geld vergiss dabei am besten ganz schnell, weil es ist weg.
Nicht wirklich weg, es ist nur bei denen die es verstanden haben, wie man mit der Dummheit der Allgemeinheit Geld macht.

Lass Hilfe zu, und denke nicht, ich schaffe das schon !!!!!

Rainer

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Offline Olli

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Re: Aufhören bevor es zu spät ist...
« Antwort #2 am: 07 April 2013, 10:39:29 »
Hi Samuel!

Herzlich willkommen!

Dummheit? Mangelnde Intelligenz? - Nein - Dein Beitrag zeigt, dass dem nicht so ist.
Du wirst später noch feststellen, dass Dein "Fallen" heute ein Segen ist - und Du wirst Dir selbser auf die Schultern klopfen können, dass Du Dich hier angemeldet hast.
Die Industrie nutzt nun mal alle Möglichkeiten, die "Otto Normal" nicht hat.
Die Menschen - so ist meine Erfahrung - wissen in der Regel nichts über sich selbst.
Sie haben es nie gelernt und sie scheuen sich - oder sehen einfach keine Veranlassung - sich mit ihren Ängsten und Gefühlen auseinander zu setzen.
Und da ist es dann sehr einfach mit einer Menge psychologischer Kniffe einen Samuel, einen Rainer oder einen Olaf in ihren Bann zu ziehen.

Samuel - wie sieht Deine familiäre Situation aus?

Ich vermute, dass Du bewusst nichts darüber geschrieben hast.
Vergiss es - versuche es erst gar nicht, "alleine" aus der Misere zu kommen.
Du hast Menschen an Deiner Seite, die Dich lieben - und auch wenn sie es zunächst nicht verstehen werden - sie werden Dich unterstützen.

Wie Du an das Gespräch herangehen kannst, können wir hier gerne zusammen erarbeiten.

Zitat
Meine Schulden betragen insgesamt nur etwa 2000€


Hier möchte ich dich warnen. Als Hintergrundinfo für uns kann dieser Satz so stehen bleiben.
Nutze ihn aber bitte nicht, um Dich zu beruhigen.
Damit grenzt Du Dich innerlich von all denjenigen ab, von denen Du hier gelesen hast.
Du beschwichtigst Dich selbst - machst Dir selbst was vor ...
Du hattest zwischezeitlich Gewinne eingefahren - und Du hast selbst erkannt, dass sie Dir nichts wert waren im Vergleich zum Weiterspielen.
Auch enormer Geldregen hätte dies nicht bewirken können.

Das Jagen nach dem großen Gewinn ist bei uns Symptom unserer Krankheit.
Wenn Du die zum Stillstand bringen willst, dann kannst Du Werkzeuge lernen, mit denen Du sie umlenken lernst.
Dabei hilft z.B. ein Geldmanagement, für dessen Mithilfe Du Deine Familie befragen kannst.

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Aufhören bevor es zu spät ist...
« Antwort #3 am: 07 April 2013, 14:13:49 »
Olli, Rainer: Vielen Dank für eure Antworten.
Es tut gut, zu sehen, dass man nicht alleine dasteht und es Menschen gibt, die einem helfen möchten.

Olli, wie du richtig vermutet hast, bin ich absichtlich nicht auf meine familiäre Situation eingegangen. Wie du dir denken kannst, ahnen sie nichts von meiner Spielsucht.
Ich habe mich bewusst dazu entschieden, das Problem für mich zu behalten. Das liegt einerseits sicherlich an meiner Art, alle meine Schwierigkeiten selber lösen zu wollen, vorallem aber an meinen Ängsten, es zuzugeben. Ich schäme mich vor mir selber und vor meinen Eltern, die mich finanziell unterstützen, dass ich soviel Geld verbraten habe.

Ich habe prinzipiell ein gutes Verhältnis zu ihnen und bin sicher, dass sie mich unterstützen würden, sodass die finanziellen Probleme beseitigt sind. Aber wie bereits gesagt, ich schäme mich zu sehr.

Insofern vertraue ich darauf, dass ich nicht wieder anfange zu wetten und meine Probleme selbst bald lösen kann.

LG, Samuel


*

Offline Olli

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  • 7.338
Re: Aufhören bevor es zu spät ist...
« Antwort #4 am: 07 April 2013, 19:18:50 »
Oha Samuel! #grins#

Ich habe mit keinem Wort davon gesprochen, dass sie Dich finanziell unterstützen sollen!
Wenn sie dies tun, dann unterstützen Sie Dich ja aktiv in Deiner Sucht!

Natürlich, in diesem Moment benötigst Du Nahrungsmittel - das Geld dafür hast Du ja verspielt - hier geht es ans Essentielle ...
Dieses eine Mal und nur für diesen einen Zweck darfst Du ihre finanzielle Hilfe ruhig annehmen.
;-)

Zitat
Ich habe mich bewusst dazu entschieden, das Problem für mich zu behalten.

Nein, Samuel - Spielsucht ist kein "Problem"!
Ein Problem kannst Du lösen - ein Problem kannst Du aus der Welt schaffen und gut ist ...
Spielsucht ist aber eine anerkannte Krankheit - schau mal in die ICD 10.
Diese Krankheit begleitet mich bis an das Ende meines Lebens.

Nun, was bedeutet es denn es "für Dich zu behalten"?
Mal auf den Punkt gebracht - Du belügst Deine Eltern.
Du verspielst das Geld Deiner Eltern, die es Dir zweckgebunden gegeben haben.
Damit betrügst Du sie auch - Du hintergehst sie.
Vielleicht kannst Du dich herausreden und bisher alles auf die Krankheit schieben.
Wenn Du aber künftig weiter ihr Geld verzockst, dann betrügst Du sie willentlich!
Da ich vermute, dass Dir dies bereits einige Zeit bekannt ist - betrügst Du sie bereits willentlich.

Du hast Dir die Kreditkarten zukommen lassen und hast das Geld verbraten in dem Wissen, dass Du es NICHT zurückzahlen kannst.
Darin steckt bereits eine Menge krimineller Energien.
Dir ist dies bekannt, sonst hättest Du es nicht benannt.

Du merkst, ich möchte Dich gerade ganz bewusst schocken.
Wir verschieben unsere inneren Grenzen immer unmerklich langsam - aber das Schlimme ist, wir beruhigen unser Gewissen gerne durch Verharmlosungen.

Die bringen uns aber nicht dazu zu handeln.
Von daher empfinde ich es als grandios, dass Du Dich in diese Richtung geöffnet hast, damit ich Dir die unverblümte Wahrheit noch einmal vor Augen führen kann. ;-)

Jetzt noch einmal zurück zu Deinen Eltern.
Ich gehe davon aus, dass Du sie liebst.
Weiterhin gehe ich davon aus, dass sie Dich lieben.
Ist dies nicht die beste Voraussetzung für Dein Vertrauen in Deine Eltern?
Hand aufs Herz - Du bist erwachsen - aber Du wirst auch immer ihr Sohn bleiben.
Egal, ob Du vom Auto angefahren wirst, an einer Blutkrankheit erkrankst oder ein Arm oder ein Bein verlierst.
Sie werden Dir Beistand leisten. Sie werden Dir all ihr Herzblut opfern, damit es Dir besser geht.
Wieso sollten sie es nicht tun, wenn sie erfahren, dass Du spielsüchtig bist?

Oh ja ... die Angst ... die Scham ... die Demütigung ... der in der Situation am Erdmittelpunkt befindliche Selbstwert ... eieiei ... na klar kenne ich das.

Aber weisst Du was? Das alles hat größtenteils nur in meinem Kopf statt gefunden.
Meine Eltern haben mich da mehr als einmal positiv überrascht.

Und weisst Du, welches Gefühl das Größte beim Outing ist?
Es ist Befreiung! Die Erleichterung ... "jetzt ist es raus" ...
"Ich muss mich nicht mehr verstecken"
"Ich brauche sie nicht mehr anlügen ..."

Zitat
alle meine Schwierigkeiten selber lösen zu wollen

Ich wiederhole mich gerne noch mal. Du hast kein Problem - Du hast keine Schwierigkeit - Du bist spielsüchtig und damit krank.
Bei einer Krankheit darfst Du Dir erlauben Hilfe einzufordern und anzunehmen!

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Aufhören bevor es zu spät ist...
« Antwort #5 am: 12 April 2013, 10:44:24 »
Hallo Oli,

habe gerade deine ehrlichen Worte durchgelesen und muss dich dafür loben. Mir geht es fast ähnlich. Bis jetzt weiß auch mein privates Umfeld nichts von meiner Sucht. Aus Angst wie sie reagieren. Ich muss dazu sagen, dies betrifft bei mir den Freundeskreis. Meine beste Freundin weiß bis heute nicht, das ich spielsüchtig bin. Ich möchte ihr das morgen sagen, aber ich habe auch einwenig sch... davor. Wie wird sie reagieren? Auf der anderen Seite sage ich mir, egal wie sie reagiert ich muss da jetzt durch.

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Offline Olli

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Re: Aufhören bevor es zu spät ist...
« Antwort #6 am: 12 April 2013, 12:07:29 »
Hi Heike ;-)

Es ist Dir also sehr wichtig, dass Du es Deiner Freundin sagst.
Finde ich super ...

Mache Dir keine Sorgen, wie sie reagiert.
Es kommt auch nicht auf die "erste" Reaktion an - sondern auf die Weiteren.
Denke daran ... Du kannst Dich ein wenig gedanklich vorbereiten - sie nicht.

Aber wenn Ihr Euch so gut versteht, wie ich vermute, dann wirds schon gut gehen.

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
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Re: Aufhören bevor es zu spät ist...
« Antwort #7 am: 15 April 2013, 10:21:59 »
Hallo Olli,

also ich bin dann mal am Samstag meiner Freundin alles gebeichtet. Im ersten Augenblick dachte sie, das ich sie auf den Arm nehmen möchte. Dann sagte sie warum bist du nicht früher zu mir gekommen. War ich froh, als alles raus war und ich nicht mehr lügen muss. Ich bin erst mal froh, das ich jetzt 2 wochen ohne zu spielen geschafft habe und mir jeder Tag ohne in die Halle zu gehen mich ein Stück der Realität wieder nähcer bringt. Morgen habe ich dann mein erstes Gespräch in der Suchtberatungsstelle.

Ich habe auch noch eine andere Antwort zu einen Beitrag von dir gelesen über kontrolliertes Spielen. Meiner Meinung nach gibt es das nicht und wer das behauptet der belügt sich selbst. Ich habe 2 mal 2 Monate nicht gespielt und ging wieder hin nur mal so zum Spaß. Jedes Mal wurde es schlimmer und immer mehr die Kontrolle über mich verloren.

Ich wünsche noch einen wunderschönen sonnigen Montag und bin froh das ich die Sonne jetzt genießen kann und nicht das schöne Wetter in der Spielhalle absitze.

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Offline Olli

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Re: Aufhören bevor es zu spät ist...
« Antwort #8 am: 15 April 2013, 12:26:27 »
Hi Heike!

Super!

Du hast Deiner Freundin Dein Herz ausgeschüttet - und es war tatsächlich halb so wild - nicht wahr?  ;)
Und trotz dem Dir deswegen bestimmt selbst auferlegtem Kopfkino - bist Du weiterhin spielfrei!

Sei stolz auf Dich!

Gute 24 h
Olaf


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