Hallo Ihr Lieben,
vorab möchte ich Euch sagen, dass ich jetzt seit fünf Tagen spielfrei bin und es mir gut geht. Fünf Tage? Viele von Euch werden jetzt sagen, dass das überhaupt nichts bedeutet. Fünf Tage sind für mich jedoch ein gewaltiger Schritt weg von der Sucht und rein in ein neues Leben. Ich habe mich parallel auch in einem anderen Forum angemeldet. Allerdings ist das Feedback dort eher gering, so dass ich meine Erfahrungen in beiden Foren austauschen möchte.
Ich möchte den steinigen Weg endgültig mit meinem eigenen Willen schaffen. Selbsthilfegruppen und Therapien kommen für mich aus verschiedenen Gründen derzeit nicht in Frage. Allerdings habe ich mit meiner Lebensgefährtin, meinen Freunden usw vereinbart, dass auch nur bei einem Rückfall kein Weg an professioneller Hilfe vorbeiführt. Letztenendes gleicht meine Geschichte vielen anderen und ich habe alles hinter mir, das exzessive Spielen, den Kontrollverlust, das Verheimlichen der Ausmaße etc. Ich habe für mich beschlossen, dass ich diesen Weg nicht mehr weitergehen möchte. Ich möchte mich nicht weiter selbst zerstören. Und in den vergangenen fünf Tagen ist viel passiert. Viele Dinge, die ich sonst nie erlebt hätte und es wird von Tag zu Tag besser. Bei allem ist mir klar, dass für mich nur der endgültige Spielstopp für alle Zeiten in Frage kommt. Kein Versuch mehr in einigen Wochen oder Tagen. Der Verfall würde sofort weitergehen und alle Verhaltensmuster kämen mit voller Breitseite zurück. Es wird ein schwieriger Weg; dessen bin ich mir bewußt.
Ich möchte meinen Thread als Tagebuch anlegen. Einerseits zur Selbstkontrolle und andererseits zum Erfahrungsaustausch mit anderen, die es alleine versuchen. Ich werde dabei offen und ehrlich schreiben. Sollte es zu einem Rückfall kommen, werde ich konsequent auch davon berichten. Freunde und Freundin lesen mit.
Ich freue mich auf Unterstützung in Form von guten Gesprächen und gegenseitiger Motivation.
Damit Ihr Euch ein Bild vom Ausmaß meiner Vergangenheit machen könnt hier nun meine Geschichte:
Meine Geschichte fängt vor fast genau einem Jahr an.
Ich bin bis damals ein erfolgreicher Selbständiger (Medien) gewesen, der immer genau wußte, was er macht. Mit Geld bin ich immer sehr sorgsam umgegangen und habe Entscheidungen über Investitionen sehr genau überlegt.
Doch das sollte sich schlagartig ändern.
Ich (36) befand mich damals in einer wirtschaftlichen Schieflage, die ich nicht verursacht habe. Mehrere Auftraggeber sind auf einmal weggebrochen wegen deren Insolvenz, etc. Hinzu kam, dass ich mich in einer schwierigen Beziehung befand, die mich damals sehr ausgesaugt hat.
Irgendwann saß ich nach getaner Arbeit und mit einer Flasche Wein bewaffnet vor dem PC und kam auf die Idee, mich in einem Internetcasino anzumelden.
Ich habe früher mal online Poker gespielt und etwas Geld verloren. Damals habe ich mir aber gesagt: "Hallo, was ist das denn für ein Käse...das kannst Du nicht...lass es" Und das hat da auch super funktioniert. Ich habe sogar alle, die mit dem Gedanken gespielt haben, zu zocken, gewarnt.
Nunja, nachdem ich das Anmeldeprocedere hinter mir hatte, habe ich die ersten 1000,- Euro ins Ausland geschickt, wo sie auch bleiben sollten. Und hier fing meine Sucht schon an, wenn ich zurückblicke. Sofort hat sich in meinem Kopf ein Teufelchen eingerichtet, das mir immer ins Ohr flüsterte, dass das so nicht bleiben kann. Also nochmal 1000,- Euro hinterher mit dem gleichen Ergebnis. Nach ein paar Stunden waren 4000,- Euro futsch und ich wollte aufhören. Ich ging zum Zigarettenautomaten und dachte mir: "Ach komm, 1000,- Euro machste nochmal".
Und dann passierte das, was besser nie passieren sollte. Es machte Pling und auf meinem Konto waren 20000,- Euro. Wie jetzt? Das kann doch nicht sein. Doch es war passiert. Der erste große Gewinn. Danach wurde mein Spiel-Konto gesperrt. Das konnte ich alles klären und ein paar Tage später war das Geld auch tatsächlich da.
Hier wäre der Moment gewesen, um mit dem Käse aufzuhören.
Aber nein, da war ja noch das Teufelchen.
Es kam wie es kommen musste: Aus den 20000,- Euro wurde in ein paar Wochen (unfassbar wieviel Zeit ich damals schon mit dem Quatsch verbracht habe) eine beeindruckende ovale "0".
Alles war weg. Der Klassiker. Ich muss dazu sagen, ich weiß über Gewinnchancen Bescheid. Es ist nahezu unmöglich, solch einen Gewinn zu wiederholen. Und auch, dass systematisch die Gewinne wieder vom Konto verschwanden, war mir eigentlich klar. Aber jeder Süchtige weiß auch, dass der Verstand ausschaltet. Die Casinobetreiber sind ja auch nicht doof. Ab und an schmeißen Sie ein paar Zückerchen raus. Hier mal 4000,-. Da mal 2000,-. Aber nie soviel, dass man die Startsumme überschreitet. Langsam aber sicher geht die Treppe abwärts. Und das ist sicher. Jeder, der was anderes behauptet, hatte entweder unwahrscheinlich großes Glück oder kriegt ne dicke Provision von den Anbietern. Da könnt Ihr besser darauf warten, dass eine Brieftaube vorbeifliegt und einen Goldklumpen über Euch abwirft.
Aber die Erkenntnis hatte sich in meinem Hirn noch nicht durchgesetzt.
Ich war damals im Spielwahn. Ich wollte mein Geld zurück. Irgendwann klappt das doch bestimmt.
Das Gegenteil war der Fall. Ich habe teilweise die Nächte durchgezockt, war so kaputt, dass ich fast nicht mehr meine Arbeit erledigen konnte.
Ich war platt und mein Konto um weitere 20000,- Euro ärmer.
Hier kam die erste Einsicht: So kann es nicht weitergehen. Das war im Sommer letzten Jahres. Da habe ich mich Freunden anvertraut und erstmals offen darüber gesprochen, dass mit mir gewaltig etwas nicht stimmt. Es musste also Schluss sein.
Und obwohl ich auf alles, was mir lieb und teuer war, geschworen hatte, dass ich da die Finger von lasse, tat ich es nicht.
Nach ein paar Wochen zog es mich wieder vor den PC und in die bunte der Welt der Slotmachines.
Wieder begann das übliche Procedere. Erstmal eine Summe verspielt, dann wieder gewonnen und dann wurden die Abstände zwischen den Gewinnen immer größer und weitere 20000,- Euro waren futsch.
Jetzt wurde es ernst. Die Schlinge und vor allem die finanzielle zog sich zu. Ich fing an, Dinge zu verkaufen, um liquide Mittel zum Spielen zu haben. Es begann, an meiner Existenz zu nagen.
Gleichzeitig habe ich wieder Freunde und sogar eine Onlinesuchthilfe in Anspruch genommen. Die hat mir aber rein gar nichts gebracht. All das, was die Frau mir erzählte, wußte ich. Ich kenne die Probleme und Auslöser und die Vermeidungsstrategien, die sie mir nannte, waren ein Witz.
In der Zwischenzeit habe ich eine neue Freundin kennengelernt und habe ihr auch von Anfang an von meinem Problem erzählt. Sie hat selber ein Problem, das zwar in einem völlig anderen Bereich liegt, aber dennoch waren bzw sind die dadurch resultierenden Situationen ähnlich.
Wir haben viel geredet, ich habe viel gelesen über Spieler und deren Geschichten. Gebracht hat das alles nichts.
Wieder und wieder habe ich gespielt...immer öfter und länger und es fing an, mich psychisch fertig zu machen.
Teilweise habe ich in einer Nacht 5000,- Euro verspielt und konnte einfach nicht aufhören. Egal, ob ich am nächsten Tag zusammengebrochen bin und ein Häufchen Elend war. Ein paar Tage später fing alles wieder an, bis die Kreditkarten glühten.
Es gibt noch zahlreiche weitere Geschichten dazu. Sie ähneln sich aber alle und vor allem sie haben eins gemeinsam: Am Ende steht immer ein Riesenverlust und ein Selbstwertgefühl eines Würstchens.
Vor zwei Wochen hatte ich dann nochmal ein extremes Spielerlebnis. Ich habe viel Geld verspielt und habe gemerkt, dass trotz Terminen, trotz Freundin (sie hätte nackt vor mir stehen können), ich nicht die Finger von der Maus lassen konnte. Ich werde nicht aggressiv oder ausfallend aber man kriegt mich davon einfach nicht weg.
Irgendwie hat es dann doch geklappt und wir sind zu guten Freunden gefahren. Das Thema wurde den ganzen Abend diskutiert und mir war klar. Das muss ein Ende haben.
Aber Ihr kennt das Ergebnis schon: Es gab kein Ende. Die letzte Woche habe ich den Rest der verfügbaren Kohle verzockt bis letzten Freitag. Ich habe mit 400,- Euro angefangen. Und war nach ein paar Stunden bei 1600,- Euro. Super, dachte ich mir. Jetzt hörste auf, lässt es Dir auszahlen.
Pustekuchen: Ich versuchte es nochmal und dann passierte etwas, was noch nie in dem ganzen Jahr so extrem passierte: Die 1600,- Euro spielten sich so konsequent auf die Null zu, dass ich mir danach sagte: Nein, das kann es nicht sein. Es ist immer das Gleiche, Du gewinnst, sie fixen Dich an und dann kommt konsequent gar nichts mehr. Merkst Du eigentlich nicht, wie Du da veräppelt wirst, sagte ich mir und ging ins Bett und setzte mich mit dem Gedanken ernsthaft auseinander. Ich ließ das ganze Jahr Revue passieren und es machte Klick im Kopf. Jetzt muss Schluss sein und zwar konsequent, sonst geht´s in ein paar Monaten mit Vollgas in Hartz IV.
Als ich aufstand bat ich meine Freundin, gemeinsam mit mir die Casinosoftware zu öffnen. Ich habe mich in beiden Casinos, in denen ich spielte für einen Monat sperren lassen, habe meine Einzahllimits vorher auf 20,- Euro herabgesetzt. Ihr fragt Euch jetzt, warum nur für einen Monat: Das resultiert aus den "psychologischen" Gesprächen mit meiner Freundin. Kleine Ziele setzen ist jetzt mein Weg.
Sie hat alle meine Kreditkarten und in einem Monat werden wir gemeinsam beschließen, wie es weitergeht. Mein Ziel ist natürlich die dauerhaft Sperre. Den jetzigen Monat will ich nutzen, um mein Leben wieder in Ordnung zu bringen. Alle Freunde sind informiert und werden in einem Monat anklopfen und fragen wie es aussieht. Ca. 50.000,- Euro sind weg. Eine Katastrophe. Aber es ist passiert und es ist nicht zu ändern.
Ich werde mich jetzt wieder auf die Arbeit konzentrieren, Sport treiben und viel mit Freunden unternehmen und reden. Woanders anmelden fällt übrigens flach, die Möglichkeit gibt es nicht. Dafür sind Vorkehrungen getroffen. In ein öffentliches Casino gehe ich nicht. Das Suchtmittel ist weg. Und jetzt bin ich gezwungen, mich wieder mit mir selbst zu beschäftigen als darauf zu warten, dass drei bescheuerte Symbole auf einem PC Bildschirm erscheinen. Wie der Zufall es so will, lief dann gestern auf VOX noch eine Doku über Las Vegas mit erschreckenden Besipielen. So willst Du nicht enden, habe ich mir gesagt und ich fühle mich gut mit meiner Entscheidung, die von mir selbst kam.
Ich werde hier regelmäßig schreiben und Euch davon erzählen wie es mit mir weitergeht. Aber eine Warnung möchte ich am Ende noch loswerden. Ich habe soviel Lebensenergie verschwendet und soviel Zeit mit Spielen verbracht, dass ich Euch mit Sicherheit sagen kann: Ihr werdet immer verlieren. Und gewinnt Ihr, habt Ihr trotzdem verloren: Zeit, die Euch keiner wiederbringt, die Ihr mit sinnvollen Dingen hättet verbringen können. Lasst es nicht soweit kommen wie ich. Ich bin kurz davor, mein Haus zu verlieren. Ihr könnt Euch vorstellen, was das bedeutet. Aber ich will die Kurve kriegen und ich werde sie kriegen. Weiht Eure Freunde ein und seid offen und ehrlich. Keiner wird Euch den Kopf abreißen. Im Gegenteil, Ihr werdet sehen wie sehr sie Euch helfen werden.
Ich wünsche Euch allen tolle 24 spielfreie Stunden!