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Online-Selbsthilfegruppen Glücksspielsucht
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30 Jahre...

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30 Jahre...
« am: 06 Januar 2013, 22:50:16 »
Hallo zusammen,

30 Jahre - immer öfter lese ich davon. Es scheint eine magische Zahl zu sein. 30 Jahre, 39 Jahre, 32 Jahre, 35 Jahre. Wahnsinn, die 30 ist so oft mit dabei. Das ist schon eine verdammt lange Zeitspanne. Auch ich habe 30 Jahre aktiv in der Sucht gelebt.

30 Jahre allein mit meiner Sucht. Nicht getraut, mich jemandem anzuvertrauen. Nicht reden könnend, nicht Hilfe suchend, immer weiter im Sumpf verstrickt. Am Anfang mit Pausen, oft einige Jahre, später nur noch Wochen, die sich in Tage und Stunden verringerten.

Beim Lesen Eurer Beiträge in der letzten Zeit kommen diese Gedanken verstärkt. Beim Lesen der Beiträge wegen des Suchtdrucks verstärken sie sich in Ekel. Nicht gegen Euch!!!!!
Nicht dass jetzt jemand einen falschen Eindruck bekommt. In den Ekel, den ich empfand, die letzten 1,5 Jahre, der Ekel, der mich nicht davor bewahrte zum Spielen zu gehen. Den Frust, die Verzweifelung, die Hoffnung, den sich umdrehenden Magen, das Zittern meiner Glieder, des Schüttelfrostes, der Magenschmerzen, nicht zu vergessen das schlechte Gewissen beim Gang in die Halle und schon gar nicht die Sorge um den nächsten Tag,das kein Geld mehr da ist, das die Lügen auffliegen, das irgend jemand merkt, was mit mir los ist. Die Gefühle und Gedanken, die sich nicht einmal mehr durchs Spielen vertreiben ließen, wenn vielleicht auch das schlechte Gewissen vorübergehend, solange noch Geld da war um zu spielen. Dafür später ohne Geld vor der Halle um so schlimmer.

Haa, Gefühle und Gedanken bei einem Spieler??? Ja, tatsächlich! Obwohl wir ja alle - wie wir schreiben, auch ich selbst - diese Gefühle, diese Gedanken wegspielten, hatte zumindest ich trotzdem welche, die ich aber erst im Laufe der letzten fast 7 Jahre herausarbeiten konnte.

Jetzt fragt Ihr Euch bestimmt wie denn herausarbeiten?? Die Antwort lautet "Suchtdruck".
Die ersten Male hatte ich ein furchtbar schlechtes Gewissen, überhaupt so etwas wie Suchtdruck zu empfinden. Dann aber waren ganz schnell die Gedanken an meine Gefühle während meiner aktiven Zeit da. Es entstand ein Ekel vor mir selbst. Es entstand Verunsicherung. Trotz allem machte sich der innere Schweinehund bemerkbar. "Merkt doch keiner". "Einmal nur nen Fuffi". Der Ekel, ja regelrecht die Angst wieder in diese Hölle der aktiven Sucht zu geraten, war genug, um nicht spielen zu gehen. Und - das wichtigste nach wie vor: die Akzeptanz meines Suchtdruckes, der nun einmal unwiderruflich zur Krankheit der Spielsucht dazugehört. Der mich möglicherweise noch in 30 weiteren Jahren der Abstinenz immer mal wieder ereilen wird. Unvermittelt, unverhofft, gewaltig, in Situationen der Freude, der Verzweifelung, der Depression, der Muße, des Übermutes und und und...

Was mir aber noch geholfen hat, war das Reden! Mit meinem Ehemann, meiner Tochter, mit meiner Schwester, mit Freunden, die ich hier und im Neusser Forum kennenlernte, die alles von mir wissen. Eine SHG gab's leider nur mal ganz kurzfristig hier.

Ich hab' einfach meine Gedanken und Gefühle, meinen Suchtdruck offen geschildert. Wenn jemand damit nicht klar kommt, dann ist das nicht mein Problem. Ich bitte um Ehrlichkeit und erhalte sie auch.

Was mir dabei am meisten gut tut, ist das Verständnis und das Lob, dass von denjenigen kommt. Noch nicht einmal das Lob, nicht meinem Druck stattgegeben zu haben, sondern das Lob, überhaupt offen darüber zu sprechen.

Mmh, eigentlich wollte ich zu den 30 Jahren noch was ganz anderes schreiben... dann eben ein nächstes Mal... hier paßt es jetzt nicht mehr zum Thema.

Alles liebe an Euch alle und weiterhin
jeden Tag auf's Neue, aber erst einmal für
Morgen

gute 24 Stunden

Marlies

Re: 30 Jahre...
« Antwort #1 am: 06 Januar 2013, 23:15:52 »
Schön geschrieben Marlies!

Danke!

- ich bin momentan noch beim Durchstöbern dieses Forums, hab heut schon einiges gelesen und mir gefällt die Art wie hier (hoffentl.) ehrlich geschrieben wird. Ich denke ich werd hier noch öfter mal schreiben, will eben auch aufhören, spiel zwar erst seit 10 Monaten, hat mich aber schon an die 10.000 € "gekostet" - Dabei bin ich Normalverdiener und hab dazu auch noch Familie mit 2 Kindern (11 und 2 J)
SHG gibts hier keine, weil ansch. zu wenig Interessierte sind, beim Therapeuten war ich auch schon,hat mir eine 6-wöchige Therapie empfohlen, doch deren Rückfallquote ist erschreckend (>80%), ausserdem muss ich es selber vom vollen Herzen her wollen, und da glaub ich ist mir mit so einem Präventiv-Forum auch geholfen-
Wie gesagt, ich will auffhören, spiel jetzt schon viel seltener und mit weniger Einsatz, um ganz aufzuhören fehlt mir wohl noch der letzte Wille, hoffe auch mit euren Beiträgen noch weiter dazu bewogen zu werden ganz aufzuhören!
Werd mich auf alle Fälle wieder melden und sorry Marlies dass ich in deinen Thread so reingeplatzt bin, hatte halt plötzlich das Bedürfniss gespürt zu schreiben, nachdem ich schon an die 4 Std. hier gelesen hatte. ;D
Gute 24 Stunden

*

Offline andreasg

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Re: 30 Jahre...
« Antwort #2 am: 07 Januar 2013, 00:18:16 »
Meine erste Begegnung mit Geldspielautomaten hatte ich 1966 auf der Hannover-Messe. Mein Vater reichte mir seinen Ausstellerausweis, sein Job als Graphik/Designer brachte mir auf die Art und Weise etwas ein. Ein paar Groschen Taschengeld fanden sich gleich in den auf dieser Messe präsentierten Glücksspielgeräten wieder.
An Ultimo - im doppelten sinn im August 1989 suchte ich das erste mal eine Selbsthilfegruppe auf. Ich wollte nur jemanden finden, der es versteht, daß ich jeden Tag spiele. Da ich mich nicht , trotz weiterspielen - aus der SHG nicht vertreiben ließ, konnte ich 8 Wochen später froh über eine spielfreie Woche sein. Eine Freude die die cTränen laufen ließ.Ultimo war Ultimo im Juni 1990, als ein Freund aus der SHG sich neben mich stellte, als ich am Daddelkasten klebte und ich genervt auf das rote Knöpfen drückte. Für das Retgeld aßen wir im nahen Eiscaé eine kühlende Portion. Es ist so in mir, als wäre es Gestern. Also habe ich von 33 Jahren 22 Jahre abgearbeitet. Zeit und Geld sind verspielt, unwiederbringlich. Daß ich Heute, nur Heute die Freiheit habe mich hier in das Forum einzubringen ist nicht aus meiner Willenskraft entstanden. Ich denke mehr an die Wertschätzung mir selbst gegenüber wie auch meinen Mitmenschen gegenüber habe ich das im tiefsten Herzen zu danken. Der ausgesprochene Dank kann nicht ultimativ sein, weil er weitergeht, von Hand zu Hand, wenn ich z.B. an meinen Klinikaufenthalt denke vor 4 Jahren: 125 Patienten, 3 Spielsüchtige und eine Intimität in unserem Trio, das rührt mich immer wieder an.
Manchmal setze ich mich hin und schreibe und lesen tue ich es erst wenn ich auf den Schreiben-Button gedrücht habe.
So seid auch ihr herzlich gedrückt
Andreas
Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen

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Offline Olli

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Re: 30 Jahre...
« Antwort #3 am: 07 Januar 2013, 07:27:47 »
Danke Marlies!

Dein Beitrag ist ein super Statement zu Reiners letzten beiden Beiträgen #wink mit dem Zaunpfahl# ;-)

@Villa

Als ich noch jung und knackig war, da hatte ich ja auch gerade erst angefangen zu spielen.
Das Ersparte war schnell weg, ein Kleinkredit aufgenommen, mein Bausparvertrag ausgezahlt.
Alles weg ...
Aber ich hatte ja Zeit - ich war wie gesagt jung, hatte immer jemanden, über den ich nebenher noch Geld verdienen konnte.
Also schob ich das "Aufhören" vor mir her.
Die Jahre vergingen ...
Meine Familie litt unter mir - redete auf mich ein.
Doch ich ließ nicht wirklich etwas an mich heran.
Ich wollte spielen - sah mein Leben vor den Automaten dahinziehen und dachte mir:
Morgen hörst Du auf zu spielen ...
Mein ganzes Leben habe ich nach den Automaten und der Geldbeschaffung ausgerichtet.
Ich schaffte es einfach nicht aufzuhören ...
... bis ich den ersten Schritt tat ... ich hörte auf!
Ich redete mir nichts mehr ein - ich tat es!
Und wieso? Weil ich mir wieder in die Augen schauen wollte.
Weil mir das Spielen längst nicht mehr gefiel ... es machte mich unglücklich.
Ich wollte nicht mehr lügen ... nichts mehr verheimlichen ... ich wollte meinem Leben einen Sinn geben.
Das konnte ich nicht mit Spielen.

Gefühle während des Spielens? Aber ja - natürlich hatte ich die.
Doch es waren ausgewählte - längst nicht die gesamte Palette.
Dies habe ich nur nicht gemerkt, da ich die paar, die ich dabei hatte, um ein vielfaches verstärkt gespürt habe.
Habe ich jeh Liebe zu einem Automaten verspürt? - Niemals!
Die Liebe habe ich durch das Spielen in den Hintergrund geschoben.
Wenn ich geliebt hätte - dann hätte ich das Spielen aufgeben müssen.
Ich bin sogar vor der Liebe ins Spiel geflüchtet.
Das Spielen hatte nun mal oberste Priorität in meinem Leben.

Wie oft habe ich "weniger" gespielt ... habe mir eingeredet, dass dies ja ein Fortschritt war.
Es war eine Lüge. Fakt war ja - ich spielte.
Dabei gibt es bei keiner Sucht kein Halbschwanger.
Wieso glaubt eigentlich jeder einem Heroinsüchtigen, dass ein Schuss schon der Rückfall ist, der eine erneute Entziehung nach sich zieht?
Wieso sollte "weniger" bei einem Spielsüchtigen also harmloser sein?

Weniger bleibt trotzdem Konsum des Druckmittels!

Entscheide also für dich, was Dir wichtig ist und eiere nicht so rum.
20 Jahre sind schnell vergangen. Deine Frau macht bestimmt nicht so lange mit.
Deine Kinder werden einmal alle 14 Tage von dir abgeholt, damit Du ein paar Stunden mit ihnen verbringen kannst.
Soll ich das Szenario weiter ausdehnen?
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: 30 Jahre...
« Antwort #4 am: 12 Januar 2013, 00:18:54 »
@villa1987:
>>"Wie gesagt, ich will auffhören, spiel jetzt schon viel seltener und mit weniger Einsatz, um ganz aufzuhören fehlt mir wohl noch der letzte Wille, hoffe auch mit euren Beiträgen noch weiter dazu bewogen zu werden ganz aufzuhören!"<<

Gestern war in in der Selbsthilfegruppe bei der ich war, genau dies ein Thema...

In der Gruppe war auch die Partnerin eines Spielsüchtigen...ohne ihren Mann.
Sie erzählte, dass es bei ihm schon besser laufen würde, da er jetzt (nachdem sie ihm kein Geld mehr zum "verzocken" gibt) weniger spielt und auch mit geringerem Einsatz. Und er am Monatsende sogar noch etwas Geld übrig hat und sich davon auch mal etwas für sich selbst leistet.

Die Frage war dann im Raum, ob er denn überhaupt wirklich bereit dazu ist mit dem Spielen aufzuhören? Oder ob es nicht vielleicht nur eine "Strategie" von ihm ist, seine Partnerin zu täuschen oder zu besänftigen um dann vielleicht später doch wieder an Geld von ihr zu kommen...um es zu verspielen?
Da er ja auch nicht mitgekommen ist und scheinbar kein echtes Interesse an Therapie und Selbsthilfegruppe hat, war die Frage schon berechtigt...glaube ich.

Ich bin auch gerade dabei mit der Spielerei aufzuhören...und stehe ganz am Anfang.
Aber ich weiss für mich jetzt eines ganz genau...entweder ich bin bereit dazu mit der Spielerei aufzuhören oder eben nicht. Ob ich es schaffe, weiss ich nicht. Aber ich bin dazu bereit es anzupacken und etwas gegen meine Sucht zu unternehmen.
Ich glaube nicht...und weiss es auch, weil ich es selbst schon versucht habe...dass man nur ein "bisschen" aufhören kann zu spielen.

Ich hoffe und wünsche Dir, dass Du bald auch dazu bereit bist etwas gegen die Sucht zu unternehmen und Du Dir Hilfe holst.

Grüsse,
Hans

*

freitagessen

Re: 30 Jahre...
« Antwort #5 am: 12 Januar 2013, 08:53:35 »
Hallo Hans

Ich Zitiere dich mal ......."Ob ich es schaffe, weiss ich nicht."

Ich hätte da mal eine Frage.....Warum weist du das denn nicht ? Was macht dich so unsicher ?

Rainer

Re: 30 Jahre...
« Antwort #6 am: 12 Januar 2013, 16:56:26 »
Hallo Rainer,

die Frage ist für mich nicht so leicht zu beantworten.
Vielleicht bin ich mir unsicher, ob mein Wille stark genug ist. Zu oft habe ich mir schon selbst gesagt "jetzt ist Schluss mit der Spielerei"..."ab heute gehst Du nicht mehr in die Spielhalle"..."ab heute beginnt ein neuer Lebensabschnitt, ohne Glücksspiel"...
Manchmal war ich dann Tage oder wenige Wochen nicht mehr am Spielautomaten. Und trotzdem wurde ich immer wieder rückfällig.
Der Unterschied zu jetzt ist der, dass ich mir Hilfe hole um mich von meiner Sucht zu befreien. Und trotzdem habe ich Zweifel...und Angst. Angst davor, wieder einen schwachen Moment zu haben...Angst davor nicht stark genug zu sein. Dazu musss ich noch sagen, dass mein Selbstwertgefühl nicht gerade sehr ausgeprägt ist.
Aber gerade ein starkes Selbstwertgefühl ist doch sicher eine wichtige Basis dafür, dass ich es schaffe, spielfrei zu werden und auch zu bleiben.
Ich glaube, dass ist mein größter Zweifel...mein Selbstwert...

Hans

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Offline Olli

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Re: 30 Jahre...
« Antwort #7 am: 13 Januar 2013, 11:14:22 »
Hi Hans!

Sinngemäß heisst es bei den GA:
Während wir spielten, verloren wir Geld, Zeit und unseren Selbstwert.
Zeit und Geld sind unwiederruflich verloren.
Doch der Selbstwert lässt sich wieder aufbauen.

Deine Zweifel sind gut - berechtigt - und sie können Dir bei der Prävention nützlich sein.
Sie können Dich achtsam werden lassen und Dir bei der Erkennung schädlicher Anzeichen nützen.

Jetzt geht es also darum, sie ein wenig zu lenken - von der Schädigung des Selbstwertes hin zum Aufbau desselben.

Bleibe am Ball ...
Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
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