Hallo zusammen,
30 Jahre - immer öfter lese ich davon. Es scheint eine magische Zahl zu sein. 30 Jahre, 39 Jahre, 32 Jahre, 35 Jahre. Wahnsinn, die 30 ist so oft mit dabei. Das ist schon eine verdammt lange Zeitspanne. Auch ich habe 30 Jahre aktiv in der Sucht gelebt.
30 Jahre allein mit meiner Sucht. Nicht getraut, mich jemandem anzuvertrauen. Nicht reden könnend, nicht Hilfe suchend, immer weiter im Sumpf verstrickt. Am Anfang mit Pausen, oft einige Jahre, später nur noch Wochen, die sich in Tage und Stunden verringerten.
Beim Lesen Eurer Beiträge in der letzten Zeit kommen diese Gedanken verstärkt. Beim Lesen der Beiträge wegen des Suchtdrucks verstärken sie sich in Ekel. Nicht gegen Euch!!!!!
Nicht dass jetzt jemand einen falschen Eindruck bekommt. In den Ekel, den ich empfand, die letzten 1,5 Jahre, der Ekel, der mich nicht davor bewahrte zum Spielen zu gehen. Den Frust, die Verzweifelung, die Hoffnung, den sich umdrehenden Magen, das Zittern meiner Glieder, des Schüttelfrostes, der Magenschmerzen, nicht zu vergessen das schlechte Gewissen beim Gang in die Halle und schon gar nicht die Sorge um den nächsten Tag,das kein Geld mehr da ist, das die Lügen auffliegen, das irgend jemand merkt, was mit mir los ist. Die Gefühle und Gedanken, die sich nicht einmal mehr durchs Spielen vertreiben ließen, wenn vielleicht auch das schlechte Gewissen vorübergehend, solange noch Geld da war um zu spielen. Dafür später ohne Geld vor der Halle um so schlimmer.
Haa, Gefühle und Gedanken bei einem Spieler??? Ja, tatsächlich! Obwohl wir ja alle - wie wir schreiben, auch ich selbst - diese Gefühle, diese Gedanken wegspielten, hatte zumindest ich trotzdem welche, die ich aber erst im Laufe der letzten fast 7 Jahre herausarbeiten konnte.
Jetzt fragt Ihr Euch bestimmt wie denn herausarbeiten?? Die Antwort lautet "Suchtdruck".
Die ersten Male hatte ich ein furchtbar schlechtes Gewissen, überhaupt so etwas wie Suchtdruck zu empfinden. Dann aber waren ganz schnell die Gedanken an meine Gefühle während meiner aktiven Zeit da. Es entstand ein Ekel vor mir selbst. Es entstand Verunsicherung. Trotz allem machte sich der innere Schweinehund bemerkbar. "Merkt doch keiner". "Einmal nur nen Fuffi". Der Ekel, ja regelrecht die Angst wieder in diese Hölle der aktiven Sucht zu geraten, war genug, um nicht spielen zu gehen. Und - das wichtigste nach wie vor: die Akzeptanz meines Suchtdruckes, der nun einmal unwiderruflich zur Krankheit der Spielsucht dazugehört. Der mich möglicherweise noch in 30 weiteren Jahren der Abstinenz immer mal wieder ereilen wird. Unvermittelt, unverhofft, gewaltig, in Situationen der Freude, der Verzweifelung, der Depression, der Muße, des Übermutes und und und...
Was mir aber noch geholfen hat, war das Reden! Mit meinem Ehemann, meiner Tochter, mit meiner Schwester, mit Freunden, die ich hier und im Neusser Forum kennenlernte, die alles von mir wissen. Eine SHG gab's leider nur mal ganz kurzfristig hier.
Ich hab' einfach meine Gedanken und Gefühle, meinen Suchtdruck offen geschildert. Wenn jemand damit nicht klar kommt, dann ist das nicht mein Problem. Ich bitte um Ehrlichkeit und erhalte sie auch.
Was mir dabei am meisten gut tut, ist das Verständnis und das Lob, dass von denjenigen kommt. Noch nicht einmal das Lob, nicht meinem Druck stattgegeben zu haben, sondern das Lob, überhaupt offen darüber zu sprechen.
Mmh, eigentlich wollte ich zu den 30 Jahren noch was ganz anderes schreiben... dann eben ein nächstes Mal... hier paßt es jetzt nicht mehr zum Thema.
Alles liebe an Euch alle und weiterhin
jeden Tag auf's Neue, aber erst einmal für
Morgen
gute 24 Stunden
Marlies