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Hallo Gast
Online-Selbsthilfegruppen Glücksspielsucht
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Neu hier

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Neu hier
« am: 20 August 2012, 17:27:08 »
Hallo,

ich bin heute nicht das erste mal über dieses Forum hier gestolpert, aber ich habe mir heute zum ersten mal die Zeit genommen zu schreiben.

Ich war Mitarbeiterin in einer Spielhalle. Zu Anfang war es ein normaler Job mit netten Leuten um mich herum, bis man als Außenstehender immer mehr Einblicke in die Sucht gewinnt.

Die Leute die am Jahresanfang noch fröhlich und freundlich in die Halle kamen wurden immer mürrischer und verbitterter. Ich hatte viele Gäste die ich sehr gerne hatte und so wurde es für mich auch immer schwerer dort zu arbeiten, zu sehen wie sie sich veränderten, zu sehen wie sie abgezockt wurden, anders kann ich das einfach nicht nennen.
Dazu kam, dass ich mir einbilde (oder auch nicht) das die Automaten im Laufe der Zeit immer weniger Gewinne ausgeschüttet haben.

Meinen Tiefpunkt hatte ich als ein Familienvater mir fast weinend erzählt das das Geld das er gerade verspielt hat eigentlich dafür gedacht war das seine Tochter ins Schullandheim fahren durfte und er ihr jetzt sagen muss, dass es nicht geht.

Ich habe auch viele gesehen die gesagt haben "Ich komme nie wieder, ich höre auf zu Spielen" und ich habe sie jedes mal verabschiedet und ihnen gesagt, dass ich hoffe sie nicht wieder zu sehen, ihretwillen. Viele habe ich schon zwei oder drei Tage später wieder an ihrem Stammautomaten bedient.

Etwas gutes ging aus der Zeit doch hervor. Ich habe meinen Verlobten kennengelernt.

Vermutlich sind einige jetzt Entsetzt wie ich, obwohl ich es doch von Anfang an besser wusste in einen Spieler verlieben konnte. Schlimmer noch, wie ich wissentlich eine Beziehung mit einem Süchtigen ein gehen konnte.

Noch bei unserem ersten Date hat er mir alles erzählt. Wie es angefangen hat. Das seine Exfreundin es geschafft hat aufzuhören, er aber nicht. Wie hoch seine Schulden sind, wie schwer es für ihn ist nicht in eine Spielhalle zu gehen, nicht zu spielen.

Heute sind wir fast zwei Jahre zusammen. Wir haben eine kleine Tochter die wir beide über alles lieben und hatten es mit Disziplin und Geldeinteilung geschafft fast aus den Schulden rauzukommen.

Sonntag habe ich erfahren, dass er in den letzten zwei Monaten fast jeden Tag spielen war.

Ich hatte es bereits geahnt, ich ahnte jedoch nicht wie schlimm es wieder war. Innerhalb von 2 Monaten haben wir wieder 7.000 Euro Schulden. Das ist ein rückschlag für uns beide. Für unsere Zukunftspläne, für unser aktuelles Leben. Dennoch war ich sehr erleichtert, als er es mir gesagt hatte.
Wir haben uns zusammengesetzt, die gesammte Situation durchgesprochen. Ihn zu verlassen ist für mich keine Option. Ich gebe mir auch selbst ein wenig die Schuld, ich hätte es kommen sehen müssen. Durch das fast spielfreie Jahr davor war ich zu nachlässig geworden was die Verwaltung vom Geld anging, ich habe nicht genug nachgehakt als ich das Gefühl hatte das es wieder aktuell wurde.

Er hat nun einen Entschluss gefasst. Noch heute meldet er sich bei seiner alten Gruppe zurück. Noch heute bittet er seine Therapeutin den Antrag auf eine Stationäre Therapie zu stellen.

Ich hatte immer gehofft, dass er das tun würde, aber ich wusste auch, dass es seine Entscheidung sein musste, nicht meine.

Wir leiten jetzt alles in die Wege und ich werde meinen Mann für ein paar Monate kaum zu Gesicht bekommen.

Ich hoffe, dass diese Therapie ihm den Rückhalt gibt den er braucht um sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Und obwohl ich weiß, dass ein Spieler nie vollkommen geheilt ist, habe ich die Hoffnun, dass er es schafft.
Trotzdem habe ich auch Angst vor dieser Zeit, es wird ungewohnt sein, ohne ihn.

So das ist doch relativ viel Text geworden.

Ich danke euch dafür, dass ich diese Gedanken hier loswerden konnte.

Liebe Grüße

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Offline Toni

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Re: Neu hier
« Antwort #1 am: 20 August 2012, 17:48:11 »
Hallo Kani

Was mich an deinem Beitrag stört ist das du dir eine Teilschuld einräumst.
Weil dieser Erwachsene Mann ist doch selbst wieder in die Spilo gerannt und hat alles aufs Spiel gesetzt.
Genauso Beknackt wie ich nach 8 Monaten ohne Spielen wieder angefangen habe zwar sind da auch verschiedene Faktoren eingetreten die das begünstigt haben aber im endeffekt bin ich losgegangen und habe die Tür geöffnet zur Spilo.
Meiner Meinung nach trifft dich gar keine Schuld.
Warscheinlich bekommst du noch wesentlich kompetentere Antworten als meine.

Alles Gute
Toni

Re: Neu hier
« Antwort #2 am: 20 August 2012, 18:15:40 »
Ich räume mir eine Teilschuld ein, weil er mich darum gebeten hat das Geld einzuteilen, darauf zu achten, dass er nicht so viel bei sich hat, das habe ich vernachlässigt. Ich habe ihm sozusagen die Hilfe um die er gebeten hatte nicht gegeben obwohl ich es ihm zugesichert hatte. Gerade in einer Zeit in der ich wusste, dass er Stress auf der Arbeit hat, das es Probleme mit Kollegen gab/gibt. Das sein Chef ihn zustäzlich unter Druck gesetzt hat eine Stelle anzunehmen die er nicht möchte, oder besser gesagt so nicht möchte.

Ich weiß das es sein Entschluss war die Spielhalle zu betreten, ich weiß auch, dass er sich während er spielt für das hasst was er tut, dennoch kann/will er in diesem Moment nicht aufhören.

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Offline Olli

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  • 7.340
Re: Neu hier
« Antwort #3 am: 20 August 2012, 19:30:08 »
Hi Kani!

Herzlich willkommen!

Toni hat genau den richtigen Punkt getroffen.
DU trägst keine Schuld - noch nicht einmal eine Teilschuld.

DU hast die Geldeinteilung vernachlässigt?
Ist das denn nicht menschlich?
Du hast Vertrauen aufgebaut und er hat sich dieses Vertrauen wohl auch verdient.

Doch er hat die Entscheidung getroffen, wieder eine Halle aufzusuchen.
ER hätte sein Verlangen doch mit dir besprechen können.
Ihr hättet dem gemeinsam entgegen wirken können.
Aber nach anfänglich Zeichen, die ihm selber sehr wohl frühzeitig bewusst geworden sind - denn er scheint ja auch SHG- und therapieerfahren zu sein - hat er sich bewusst entschlossen, die Tür zur Halle zu öffnen - hinein zu gehen - und zu spielen.
Bevor eine Münze oder ein Schein in einem Automaten landet, sind hunderte Entscheidungen zu treffen, bei der bei jeder Einzelnen interveniert hätte werden können - von ihm - nicht von Dir!
DU HATTEST KEINE CHANCE EINZUGREIFEN, WEIL ER SCHLICHTWEG SPIELEN WOLLTE.

Verbuche daher bitte Dein eingeschlafenes Geldmanagement inn der Kathegorie "dumm gelaufen" - beim nächsten mal läuft es besser.

ER wusste, was er tat. Er wusste, dass er Dich um Deinen Anteil des Geldes hintergeht.
Ja, nennen wir es beim Namen - er hat Dich betrogen - um Dein Geld - um Dein Vertrauen.

Indem Du Dir diese Mitschuld zuweist, entziehst Du ihm die Verantwortung für seine Handlungen!
Du begibst Dich in die Gefahr der Abhängigkeit von ihm, wenn Du diesen Gedanken weiter vefolgst.

Du lehnst vehement eine Trennung ab. Gut - denn wir Spieler sind nicht nur Teufel ... ;-)
Aber Du solltest ihm Deine Wünsche benennen - Deine Grenzen.
Sollten die nicht eingehalten werden, dann bedingt sein Verhalten Konsequenzen.
Es bringt nichts, wenn Du Deine Grenzen zu seinem Wohle verschiebst - er wird dies bewusst oder unbewusst auszunutzen wissen.
Deine Grenzen sind von ihm einzuhalten. Wenn nicht, dann kann eine Konsequenz sehr wohl eine zeitweise Trennung sein - beim wiederholten Rückfall sogar die Endgültige.
Du selber wirst aber am besten wissen, welche Konsequenzen am Besten bei ihm greifen werden.

Übrigens gefällt mir Dein Beitrag sehr gut.

Gute 24 h
Olaf


(Da ich kein Jurist bin, darf ich auch keine Rechtsberatung machen oder Handlungsanweisungen geben.
Ich gebe hier lediglich unverbindlich meine Meinung und Erfahrungen wieder.)
Hier geht es zum Samstagsmeeting_ https://us02web.zoom.us/j/87305340826?pwd=UnFyMlB6bkwyTHU3NGVISWFGNSs2

Re: Neu hier
« Antwort #4 am: 21 August 2012, 13:28:52 »
Hallo Olli,

mir ist Bewusst, dass ihr Spieler nicht nur Teufel seid, vielleicht gerade dadurch, dass ich doch recht viele Schicksale gesehen habe. Dazu kommt, wärt ihr nur Teufel wären mein Verlobter und ich niemals ein Paar geworden.

Er hatte schon immer (er spielt seit 15 Jahren an Automaten) Prioritäten. Es gab keinen Monat an dem nicht die Miete bezahlt war oder der Unterhalt für seinen Sohn. Das steht für ihn immer an erster Stelle, das war auch schon so bevor ich in unserer Beziehung die Finanzielle Seite übernommen hatte. Das gibt mir Hoffnung, hat mir auch immer Hoffnung gegeben und ich kenne ihn ja auch in der Zeit in der er fast ein Jahr Spielfrei war, noch etwas mehr Hoffnung.

Wir hatten gestern ein langes Gespräch.

Wir sind darüber eingekommen, dass wir die Regeln verschärfen. ich hatte im Forum gelesen, dass der ein oder andere seine Ausgaben mit Quittungen belegt und er hält es für eine gute Idee.

Es gibt mir zwar das Gefühl ein Kerkermeister zu sein, aber es ist ein kleiner Halt für ihn.

Er hatte mit seinem Chef über die ganze Angelegenheit geredet. Darüber, dass zu dem Spieldruck einfach auch der Druck aus der Firma kommt, weil er einen leitenden Posten übernehmen soll den er nicht möchte. Sein Chef ist enttäuscht, nicht weil er Spielt sondern weil er den Posten nicht will, er sagt ihm, dass er sein Problem nicht verstehen kann. Er hat auch darum gebeten die Firmengelder nicht weiter in die Hand zu bekommen, bis jetzt war er abends für die Abrechnung zuständig was dafür sorgte, dass er mit relativ viel Geld zu tun hatte. Noch etwas das der Chef nicht versteht. Eigendlich schade, als Alkoholiker müsste ihm klar sein, das das Geld für meinen Mann das gleiche ist wie der Alkohol für ihn.
Er ist auch dagegen, dass er in die Klinik geht und versucht ihm ein schlechtes Gewissen einzureden nach dem Motto: "Du lässt die Firma im Stich."

Dennoch steht sein Entschluss fest. Zusammen mit dem Entschluss die Firma nach dem Klinikaufenthalt zu verlassen um aus den alten Mustern herauszukommen.

Im Moment habe ich das Gefühl, dass er kurz vor einem Nervenzusammenbruch steht. So wie in der letzten Woche habe ich ihn noch nicht erlebt.

Vielleicht ist das der Tiefpunkt den er braucht um sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. (Ja noch eine Hoffnung)



 

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