Hallo Michael,
Dein Beitrag spricht mich an, schließlich habe ich mit meinen gerade mal 30 Jahren auch schon eine 14-Jährige Suchtkarriere hinter mir. Einschließlich zweier stationärer Therapien. Was mich fast selbst erstaunt: Seit anderthalb Jahren bin ich spielfrei. Und das ganz ohne eine Therapie, Selbsthilfegruppe oder ähnliches. Allerdings soll das nicht heißen, dass ich nichts von diesen Formen der Hilfe halte. Ganz im Gegenteil. Eine zeitlang hatte ich das Glück, in einer tollen, freien Selbsthilfegruppe zu sein, in der auch Angehörige willkommen waren und die einfach einen sehr sorgsamen Umgang miteinander pflegte. Leider zog ich dann weit weg und konnte nicht mehr hingehen.
Das Gefühl, das Du beschreibst, kenne ich auch: Alles ist einem irgendwie egal, und wenn schon das Spielen nicht mehr so den Kick bringt, wartet man eben auf den Aufprall. Als ich in diesem Stadium in die Gruppe gegangen bin, haben die mich regelrecht auseinander genommen: Ob ich denn überhaupt aufhören wolle zu spielen? Ich wusste es nicht so recht. Da war ich mir manchesmal vorher schon sicherer. Aber diese merkwürdige Art der Kapitulation war gar nicht schlecht. Irgendwann habe ich die meine regelmäßigen Spiel-Anfälle gar nicht mehr als so große Niederlagen empfunden. Stattdessen so etwas wie eine gelassene Distanz dazu aufgebaut. Und zum Neujahr 2005 habe ich mir nicht etwa vorgenommen, mit dem Spielen aufzuhören, sondern lediglich, jeden Tag einen Eintrag in einem großen Wandkalender zu machen: Ein grüner Smiley, wenn ich nicht gespielt habe und ein roter, wenn es mir doch passiert ist (mit Zahl, wie teuer es diesmal war). Das hat für mich Wunder bewirkt. Vor allem deshalb, weil plötzlich die guten, "grünen" Tage genauso viel Gewicht hatten, wie die roten, verspielten. Zwei Monate wechselten sich rot und grün munter miteinander ab, dann kam nur noch ein grüner Smiley nach dem anderen. Bis heute! Und immer wieder habe ich mir gesagt: "Wenn es doch mal wieder einen roten geben sollte: Macht nichts, am Tag danach kann ich ja schon wieder spielfrei sein." Ich weiß nicht, ob ich das jetzt klar rüber gebracht habe, aber zumindest Eines sollte deutlich geworden sein: Gerade in der größten Krise liegt die größte Chance. Vor zwei Jahren hätte ich kaum geglaubt, dass ich jemals längere Zeit spielfrei werden würde und mich schon auf ein ziemlich trauriges Leben eingestellt. Heute sehe ich das schon viel gelassener - ohne aber zu behaupten, ich würde von nun an nie wieder spielen. Das wird sich zeigen...
In diesem Sinne wünsche ich Dir alles Gute. Du hast jeden Tag die Möglichkeit, nicht zu spielen. Und jeder Tag zählt.
Liebe Grüße,
Erik