Dem natürlich nicht ganz ernstgemeinten Titel des Themas folgt mein ernstgemeintes Outing.
Ich wette, obwohl ich mir geschworen habe, nicht mehr zu wetten, ich wette, dass ich es schaffen werde! Der "Einsatz" ist das Höchste, was ich habe: Meine Familie, meine geliebte Frau und mein geliebter Sohn, 18 Monate jung.
Meine Geschichte: (Sorry für die Unstrukturiertheit. Ich muss mir das von der Seele schreiben, dadurch wird es etwas wirr.)
Am Sammstag war es (vielleicht endlich) soweit. Meine Frau fand versteckt in meinem Schrank, versteckte und verdrängte Briefe: u.a. Mahnschreiben, Vollstreckungsbescheide, Inkasso-Briefe, Briefe der Bank mit fehlgeschlagenen Abbuchungen, und die fristlose Kündigung der Vermieter. Daraus ersichtlich, ein Schuldenstand in Höhe von ca 30.000€. Die kranken Auswüchse meiner Wettsucht.
Was ich jahrelang verdrängt hatte, dass ich mein Wettverhalten nicht im Griff habe, lag in Form dieser vielen vielen schlimmen Briefe auf dem Tisch.
Ich bin süchtig. Und das schon seit vielen Jahren.
Vor 4 Jahren gab es schonmal den "Knall". Gelbe Briefe, die vollstreckbare Räumungsklage unserer alten Wohnung erreichte auch meine Frau. Damals beichtete ich nur die halbe Wahrheit, dass ich zwar viel Geld beim Wetten verloren habe, dass ich das aber eigentlich im Griff habe und nicht süchtig nach Wetten bin.
Auch damals schon: Jede Menge Kredite, Schulden, Inkassodienste. Und Lügen, Lügen, Lügen. Ein unfassbares Lügengebilde hatte ich mir aufgebaut; eine Scheinwelt, die ich sogar selbst glaubte.
Das ich alles im Griff habe war natürlich Blödsinn. Ich war damals schon süchtig. Verzockte jeden freien Cent den ich hatte, und den meine Frau hatte. Plünderte schon damals ihre Kreditkarte, verzockte unser Bargeld, war hochverschuldet. Bis hin zur Räumungsklage.
Doch meine Frau hielt zu mir. Viele Tränen, aber sie stand zu mir, meine große Liebe. Seit 2000 zusammmen, seit 2002 verheiratet. Wir stellten einen Haushaltsplan auf, sparten, schränkten uns ein. Wir verdienten beide ganz gut, sodass eigentlich genug Geld da war um die Schulden abzutragen. Stück für Stück, mit vereinter Kraft.
Parallel ging ich zu einer Suchtberatung. Die nette Dame hatte aber wenig Ahnung von Sportwetten. Auch ihr konnte ich vormachen / vorlügen: Ich habe kein Verlangen mehr danach zu wetten. Es gab einen Test, multiple choice. Ein paar Fragen wissentlich falsch beantwortet und schon bescheinigte man mir: Nicht süchtig. Und alle, Familie, meine Frau und ich glaubten daran. Ich hab das zukünftig im Griff.
Kurze Zeit später spielte ich wieder. Versuchte uns Geld zu erwetten, in der Hoffnung die Schulden schneller abzutragen, uns ein besseres Leben zu ermöglichen.
Aber ich verlor. Immer exzessiver, immer weiter, mit weiteren Mahnungen, weiteren Schulden. Meine Frau, meine Freunde und Familie belog ich, baute eine heile Scheinwelt auf, erfand immer neue Ausreden. Meine Frau war misstrauisch, ihre Intuition! Warum ich kein Kontoauszug zeigen konnte? Ich log sie an. Ich habe viel Geld auf dem Konto, ca 10.000€, 15.000€, 20.000€, es wurde immer mehr, alles in Ordnung, schatz! Keine Panik. Ich fälschte Kontoauszüge, es war kein Geld mehr da. Nur immer mehr Schulden.
Inzwischen Ende 2010, hatten wir einen wunderbaren Sohn. Meine Frau und mein Sohn machen mich glücklich. Wenn ich mit ihnen zusammen bin, bin ich glücklich, denke ich nicht ans Wetten.
Aber ich machte weiter, "musste" weitermachen, um die Schulden schneller zu begleichen, die Mahnungen zu bezahlen. "Musste" mir beweisen, dass ich es doch eigentlich "kann". Zwischendurch gewann ich auch Geld, bezahlte damit ein paar rückständige Raten, rückständige Mietzahlungen, hechelte immer hinterher, jeden Tag neue Mahnbriefe, die ich immer am Briefkasten abpassen versuchte. Musste immer früher den Briefkasten leeren als meine Frau. Dass sie bloß keine der vielen Mahnbriefe zu sehen bekam. Wennn es doch mal passierte, log ich, schob es auf Irrtümer bei den Gläubigern, ich klär das, keine Panik. Alles gelogen! Ich beauftrage zwischendurch Lageraufträge, damit die Post nicht hier ankommt, damit nicht alles auffliegt. Die Schufa kaputt, hoch verschuldet, mit mehreren Mieten im Rückstand - alles verdrängte ich, Briefe landeten direkt im Müll oder in irgendwelchen Verstecken. Borgte mir Geld von meiner Familie, klaute Geld von der Kreditkarte meiner Frau, verkaufte bei Auktionshäusern Sachen, nur um irgendwie ans Geld zum Zocken zu kommen. Teilweise imaginäre Sachen, die ich nicht hatte. Hauptsache erstmal Geld, dann aus dem Verkaufserlös mit Wetten mehr Geld machen und dann zurückzahlen. Krank. Klappte nicht immer. Ich versuchte im Internet Privatkredite zu bekommen, landete bei Kredithaien - noch mehr Schulden. Ich habe getrickst, gelogen und betrogen. Doch dass ich süchtig bin, verdrängte ich. Aufhören? Alles zugeben? Niemals kam mir das in den Sinn. Ich wusste ja wie es geht, wie ich mit Wetten Geld "verdienen" kann. Selbst-Belügung.
Ich gaukelte meiner Frau und Familie und Freunden (und mir) vor, dass alles super läuft. Auch im Job. Doch da wurde mir schon gekündigt (nach 8 Jahren im Job. arbeitsrechtllich nicht ganz astrein) und ich log weiter. Hielt es erstmal geheim vor meiner Frau. Viel später erzählte ich es. Aber natürlich nur ein Viertel der Wahrheit. Dass die falsch liegen, die können mich nicht einfach versetzen, da mach ich ne Kündigungsschutzklage. Und ich klagte. Es gab einen Vergleich. Mit einer niedrigen Abfindung. Doch ich erfand neue Geschichten, log, dass ich eine Abfindung bekomme zwischen 50-80tausend Euro, da können wir lange von leben, Schatz, besser hätte es mich und uns nicht treffen können. Alles super. Wollte eh grade den Job wechseln, war sowieso auf dem Absprung. Doch es gab nur 10tausend Euro Abfindung. Damit konnte ich dann grade noch die Miete zahlen und ein paar rückständige Raten um vielleicht doch noch die Wohnung zu erhalten, und den Rest plante ich schon fürs Wetten ein, damit ich eben diese meiner Frau versprochenen Gelder erwetten kann. Das wird schon funktionieren... aus 10tausend mach ich locker 50-100tausend, das reicht für die Schulden und um meiner Frau wieder ein sicheres gutes Leben zu ermöglichen.
Und es funktionierte natürlich nicht.
Denn am letzten Samstag flog alles auf. Mein ganzes verlogenes und erlogenes verkorkstes Leben, die ganze heile Scheinwelt. Kaputt. Alles zugeben. Endlich frei reden. Ehrlich sein. Keine Lügen mehr. Meine geliebte Frau am Boden zerstört.
Die Erkenntnis: Ich bin der größte Versager der Welt und der größte Lügner. Ich bin schwach, ich bin ein looser, ich bin krank. Ich bin extrem wettsüchtig. Ich bin tatsächlich krank. ICH BIN SÜCHTIG!
Was übrig ist: Ich bin am Ende, aber auch am Anfang. Nach langen langen Jahren endlich wieder ehrlich sein; der Mensch sein, der ich sein möchte. Ein guter Mensch, ein guter Ehemann, ein guter Vater.
Aber auch: Fristlos raus aus der Wohnung. Gerichtsvollzieher kommt wegen Zwangsvollstreckung. Eidesstattliche Erklärung droht. Schulden über Schulden. Ich bin arbeitslos.
Und das Schlimmste, was mich fast zum Überschnappen bringt: Meine Frau wird sich von mir trennen. Vielleicht nur auf Zeit, wenn ich es schaffe, wenn ich mich und mein Leben wieder hinbekomme.
Aber Sie macht mir keine Vorwürfe. Sie ist so gut, geht so toll damit um. Schickt mich nicht in die Hölle. Akzeptiert die Krankheit. Steht immer noch hinter mir und unterstützt mich.
Ich hoffe so sehr, dass ich meine kleine Familie retten kann. Weiß aber auch, dass vielleicht ihre Rettung nur die Trennung von mir sein kann.
Was nun?
Ich habe erkannt, dass ich süchtig bin, und nehme mir mit ganzer Kraft und aus ganzem Herzen vor: Nie mehr wetten!!!
Und ich muss meine finanzielle Situation regeln: viele Sachen zahlen, Mahnungen, Inkassoinstitute u.a., mit Gläubigern verhandeln, Aufschub rausholen, Ratenvereinbarungen erzielen.
Damit mir der Zugang zum Wetten erschwert wird: Ich habe ein Programm installiert, dass den Browser, alle Tabs runterfährt, sobald ich eine Wettseite ansteuere, egal welche. Auch Roulette-Seiten, Poker-Seiten o.ä. sind nicht mehr möglich. Teilweise kann ich nichtmal mehr Foren ansteuern, bei denen es um Spielsucht geht... (Aber diese hier reicht mir erstmal...)
Morgen gehe ich zur Beratung, habe mich gestern und heute schon sehr ausführlich über die Sucht informiert. Und habe angefangen, mich selbst und mein Lügen-Leben zu reflektieren. Rede offen mit meiner Frau und Sie mit mir. Ich werde abwarten was die Beratung rät. Auch meine Frau wird sich beraten lassen. Dann werde ich mich ambulant oder stationär therapierenn lassen. Gehe am Mittwoch zu einer SHG.
Es liegt noch ein langer Weg vor mir. Ich bin am Ende und doch am Anfang. Ich bin ein pathologischer Spieler.
Wetten, dass ich es schaffe!!!