WDR 5 Politikum – Das Meinungsmagazin
14.02.2011
Glücksspiel
Ein Kommentar von Stefan Welzk
Der Umsatz von Lotterien, Lotto und von Casinos schrumpft. Doch die Daddel-
Automaten haben binnen vier Jahren um fast die Hälfte mehr kassieren können.
Dieser Boom kommt nicht von ungefähr. Er verdankt sich einem trickreichen
Lobbyismus, so aufdringlich und penetrant wie wohl in kaum einem anderen
Gewerbe. Top-Lobbyist der Spielautomatenbranche ist Paul Gauselmann im
Ostwestfälischen Espelkamp, einer der letzten Patriarchen noch aus deutschen
Wirtschaftswunder-Zeiten.
Glücksspiel ist in Deutschland verboten oder Staatsmonopol, zur Kontrolle von
Suchtgefahren, wie man sagt. Doch die Geldspielgeräte gelten absurderweise vor
dem Gesetz nicht als Glücksspiel- sondern als Unterhaltungsautomaten. Angeblich
überwiege der Unterhaltungseffekt. Dabei hängen 80 Prozent der pathologisch
Spielsüchtigen an eben diesen Klimperkisten. Auf über 200.000 schätzen die
Experten bereits die Zahl krankhafter Zocker, Menschen, deren Leben von der
Spielsucht beherrscht und ruiniert wird.
Alle paar Jahre wird die Spielverordnung nachverhandelt. In zähem Fingerhakeln
geht es dabei jeweils um Mindestabstand zwischen den Geräten, um deren
Höchstzahl in Kneipen und Spielhallen, um Höchstgrenzen für Gewinne und
Verluste, um Sichtblenden, Warnhinweise, Zwangspausen und um die Mindestdauer
eines Spieles. Die ist Schritt für Schritt verkürzt worden, von 15 über 12 auf heute
nur noch fünf Sekunden. Das steigert Umsatz und Suchtwirkung. Diese
Regulierungsversuche haben etwas geradezu Rührendes. Denn der großen
Mehrheit des Personals in Spielhallen und Kneipen sind die Vorschriften überhaupt
nicht bekannt.
Doch jetzt jagt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans,
Schockwellen durch dieses verwöhnte Gewerbe. Sie verlangt ein Verbot der
Daddelkisten in Tankstellen und in Kneipen, wo wegen des Alkohols allzu oft die
Selbstkontrolle schwindet. (70.000 Geräte will sie abbauen lassen.) Und sie fordert
die Möglichkeit bundesweiter Sperren für suchtkranke Spieler. Die couragierte
Freidemokratin wurde prompt von ihren Partei-Oberen zusammengefaltet.
Wirtschaftsminister Brüderle ließ wissen, er halte nichts von einem Verbot in
Gaststätten. Auch Gesundheitsminister Rösler hat sich von diesem Vorstoß
distanziert. Doch Frau Dyckmans, eine erfahrene Richterin, bleibt störrisch und sie
hat recht. Diese Branche macht krank und sie lebt von der Krankheit derer, die sie
krank macht. Über die Hälfte ihres Umsatzes verdankt sie pathologischen Zockern.
Die sozialen Folgekosten und die Therapien trägt die Gemeinschaft.
Menschen, die zocken, verlieren oft binnen kurzem ihr gesamtes Vermögen vor den
Schlitzen der Geldspielautomaten. So ist es ein schlechter Witz, dass ein
Spielsüchtiger sich in einer wachen Stunde bundesweit für alle Casinos dauerhaft
sperren lassen kann, aber nicht für die Spielhallen, in denen sich die Meisten
ruinieren. Ein solches Sperrsystem ist technisch ein Klaks und ein Mindestgebot
verantwortlicher Politik. Besser noch wäre es, man würde hier der Schweiz folgen.
Dort herrscht landesweit ein Totalverbot für Geldspielgeräte.
http://www.wdr5.de/fileadmin/user_upload/Sendungen/Politikum/2011/02/Manuskripte/14%20Stefan%20Welzk.pdf