Hallo zusammen,
diesen Film sollte man gesehen haben (Kontraste 24.2.2011)
http://www.rbb-online.de/kontraste/archiv/kontraste_vom_24_02/boom_bei_spielhallen.html Lg Ilona
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Do 24.02.11 22:00
Boom bei Spielhallen – Die Parteispenden der Lobbyisten
Trotz der erwiesenermaßen hohen Suchtgefahr sind Automatenspielhallen deutschlandweit auf dem Vormarsch. Die Politik hat durch eine Liberalisierung der Gesetze dabei geholfen. Nun sorgen Berichte über gestückelte Parteispenden der Automatenwirtschaft für zusätzliche Brisanz.
Ärgern Sie sich manchmal auch darüber, dass an fast jeder Ecke in deutschen Großstädten heutzutage eine Spielhalle aufmacht? Wie Pilze sind sie in den vergangenen Jahren aus dem Boden geschossen - dank einer erstaunlich spielhallenfreundlichen Politik. Erstaunlich deshalb, weil seit Jahren bekannt ist, dass das Spielen an Automaten Sucht erzeugen kann. Hunderttausende Spielsüchtige gibt es in Deutschland. Wie konnte es soweit kommen? Susanne Katharina Opalka und Sascha Adamek mit Einzelheiten.
Eine von 6.000 Spielhallen in Deutschland. Diese beiden 19-jährigen Gymnasiasten treibt die Hoffnung auf einen satten Gewinn.
Jugendlicher
„Ja, sag ich mal, wenn man wirklich einen großen Gewinn macht, also, dann ist schon klar, man atmet schneller, das Herz schlägt schneller, man fängt vielleicht sogar an zu Zittern, zu schwitzen."
Zittern um den großen Glückstreffer. Trotzdem: Kein Glücksspiel, sondern ein Unterhaltungsspiel mit Geld-Gewinnmöglichkeit. Darauf jedenfalls legt der Marktführer, die Gauselmann Gruppe, Wert.
Mario Hoffmeister, Gauselmann AG
„Es ist ein reines Zufallsspiel. Man könnte es natürlich auch als Glück bezeichnen, wenn man es möchte."
KONTRASTE
„Als Glückspiel?“
Mario Hoffmeister, Gauselmann AG
„Glückspiel wird in Deutschland so definiert, dass größere Vermögensverschiebungen in kürzerer Zeit stattfinden und das ist bei uns nicht möglich, so wären wir in der engeren Definition: kein Glücksspiel, sondern ein Spiel, was auch vom Glück, vom Zufall, abhängt."
Kein Glücksspiel - nach dem deutschen Gesetz hat er recht. Die Jungs wollen uns das nicht so recht glauben.
Jugendlicher
„Wie, ist offiziell kein Glücksspiel, oder wie?"
KONTRASTE
„Nein, offiziell ist das hier kein Glückspiel."
Jugendlicher
„Ach so. Ich glaube, es ist eigentlich jedem klar, dass es ein Glücksspiel ist. Wie sollte es auch funktionieren, ist ja kein BVG-Automat, wo man auf die gewünschte Fahrkarte drückt und dann kommt die raus geschossen? So ist es ja hier nicht, man weiß ja, jeder, der so was spielt, weiß ja, dass er hier sein Geld verlieren kann, genauso wie er Geld gewinnen kann."
Die Automatenbranche scheut den Begriff Glücksspiel. Denn Glückspiel, etwa in Spielbanken, untersteht in Deutschland direkter staatlicher Aufsicht. Hier herrschen strenge Regeln, um die Spielsucht einzudämmen. Krankhafte Zocker können gesperrt werden, um sie vor dem Ruin zu retten. Aber wer hier rausfliegt, flüchtet nicht selten in die private Automatenhalle. Hier spielt man auch Roulette. Kein echtes, aber mit echtem Geld, und das beinahe unkontrolliert.
Spieler
„So ein Zocker, der krankhafter Zocker ist, dem bleibt nur die Möglichkeit, der muss hierhin gehen."
KONTRASTE
„Weil er in der Spielbank nicht mehr angenommen wird?"
Spieler
„Richtig. Hier guckt ja keiner. Hier kann ja jeder rein, hier können Sie machen, was Sie wollen. Hier kriegen Sie noch ein Häppchen und einen Kaffee. Da werden Sie mit angelockt."
Häppchen, die der Spieler letztlich teuer bezahlt. Aber wie viel Geld kann ein Spieler in diesem angeblichen „Nicht-Glückspiel" überhaupt verlieren? Der Bremer Psychologie-Professor und Spielsuchtexperte Gerhard Meyer machte den Test.
Prof. Gerhard Meyer, Spielsucht-Experte, Universität Bremen
„Wir haben eine Spielhalle in Göttingen aufgesucht und haben dort einen Testspieler mit 1.450 Euro ausgestattet, das ist der durchschnittliche monatliche Nettolohn eines Arbeitnehmers. Und wir wollten sehen: In welcher Zeit wird solch ein Betrag verspielt? Der Testspieler hat diesen Betrag in fünfeinhalb Stunden verzockt.“
Mario Hoffmeister, Gauselmann AG
„Selbst wenn man unter Umgehung sämtlicher Realitäten in einer Spielstätte so viel Geld einsetzt, sind meines Erachtens in dieser Zeit allerhöchstens 900 Euro zu verspielen.“
Auch 900 Euro Verlust können Existenzen vernichten. Und hierzulande gibt es geschätzte 600.000 süchtige oder suchtgefährdete Spieler. Deshalb fordern Spielsuchtexperten schärfere Gesetze.
Den Automatenkönig Paul Gauselmann könnten strengere Gesetze Millionen kosten. Und so verteidigt die Automatenindustrie ihre Umsätze von zuletzt 5,14 Milliarden Euro - auch durch politische Landschaftspflege, hier beim gesponserten Skatturnier mit Gauselmann mitten im Bundestag.
Der schlagkräftige Lobbyverband der Automatenwirtschaft spannt Politiker aller Couleur für seine PR-Zwecke ein. Zwar gibt es in kaum einer Spielhalle Kicker - aber mit Hilfe der Politiker suggeriert man der Öffentlichkeit die Harmlosigkeit der Branche. Die Geräte sponsert die Automatenwirtschaft - ob bei der Union, den Grünen oder der SPD. Und auch der heutige Außenminister Guido Westerwelle spielte einst mit.
Aber Gauselmann sorgt nicht nur für kostenloses Kickern, sondern auch für Bares. Über zwei Jahrzehnte landeten so rund eine Million Euro aus dem Gauselmann-Umfeld in den Kassen von SPD, CDU, FDP und Grünen - und das unerkannt.
Und so ging er vor:
Normalerweise müssen Großspenden ab 10.000 Euro im Rechenschaftsbericht der Parteien veröffentlich werden. Gauselmann aber hielt offenbar seine leitenden Mitarbeiter dazu an, Schecks mit Summen bis zu 6.000 Euro auf eigenen Namen auszufüllen. Die gesammelten Schecks schickte er dann mit einem netten Begleitschreiben an die Partei- und Abgeordnetenbüros.
Zitat (Quelle: Süddeutsche Zeitung)
„Ich drücke Ihnen persönlich ganz kräftig die Daumen, dass Sie Ihre politische Arbeit erfolgreich und im Interesse der Menschen Ihres Wahlkreises gestalten können. Viel Glück. Mit freundlichen Grüßen: Paul Gauselmann."
Vor Jahren ging es der Branche nicht gut. 2002 sorgte Gauselmann kräftig für Parteispenden. Und seine Erwartungen haben sich offenbar erfüllt. 2005 formulierte das zuständige Bundeswirtschaftsministerium eine neue Spielverordnung. Erklärtes Ziel war es, dass….
Zitat
„…die Zulässigkeitsbedingungen für Geldspielgeräte liberalisiert werden."
Kurz: Das Spielhallengeschäft wurde erleichtert. Nun waren mehr Automaten pro Halle erlaubt. Und dieser interne Aktenvermerk aus dem Unternehmen Gauselmann belegt: Just um diese Spielverordnung auf den Weg zubringen, animierte Gauselmann seine Angestellten zu Parteispenden.
Zitat (Quelle: Süddeutsche Zeitung)
„…um nach der Wahl die (…) SpielV auf den Weg zu bringen, benötigen wir Verständnis in den unterschiedlichen Parteien. Hilfreich dabei ist, wenn wir Politikern helfen, ihren Wahlkampf zu begleichen."
Trotzdem bestreitet das Unternehmen jegliche Form von Einflussnahme durch Partei-Spenden.
Mario Hoffmeister, Gauselmann AG
„Man möchte die generellen Rahmenbedingungen natürlich entsprechend mit gestalten können. Aber das kann man doch nicht mit Parteispenden machen. Das geht doch letztendlich nur in der direkten Auseinandersetzung im Gespräch oder dergleichen, aber doch nicht mit Parteispenden.“
KONTRASTE
„Hier steht aber ganz eindeutig drin, dass es auch im Zusammenhang mit der neuen Spielverordnung stand und das lässt sich ja nicht bestreiten.“
Mario Hoffmeister, Gauselmann AG
„Ja, aber damit nimmt man doch keinen direkten Einfluss auf die Spielverordnung, sondern man sorgt im Regelfall höchstens dafür, dass man gegebenenfalls mit Politikern über diese Dinge ins Gespräch kommt, aber ein Einfluss, das wäre ja Korruption.“
Wenn auch keine Korruption - die politische Landschaftspflege hat sich offenbar ausgezahlt. In nur fünf Jahren stiegen die Einnahmen der Automaten-Aufsteller um 67 Prozent - Geld aus den Taschen der Spieler.
Die jüngsten Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums sind alarmierend: 42 Prozent der befragten Besucher in Spielhallen weisen ein krankhaftes Spielverhalten auf - weitere 16 Prozent ein problematisches. Trotzdem zog das Ministerium bis heute nicht die Notbremse, etwa mit einer konkreten Begrenzung der Gewinnmöglichkeiten, damit sich Spieler nicht um Haus und Hof bringen. Die fordern Spielsuchtexperten seit langem.
Prof. Gerhard Meyer, Spielsucht-Experte, Universität Bremen
„Es hätten eben jetzt Vorschläge kommen müssen, um die Gewinne und Verluste mit Vermögenswerten zu reduzieren auf ein Maß, das tatsächlich nur ein Unterhaltungsspiel in diesen Hallen angeboten werden darf.“
Professor Meyer schlägt vor, die Gewinnmöglichkeiten pro Gerät drastisch zu begrenzen. Bei 60 Euro in der Stunde soll Schluss sein statt wie heute bei 500 Euro.
Bislang gelingt es dem einflussreichen Automatenkönig, sein Glücksspiel vor staatlichem Zugriff zu schützen. Das Riesengeschäft floriert. Die Spieler, ob süchtig oder nicht, sind immer die Verlierer.
Übrigens geht Automatenbetreiber Gauselmann jetzt noch weiter: Erst beschenkten seine Mitarbeiter die Parteien, jetzt fordert er offenbar auch, dass private Sportwetten in Deutschland zugelassen werden. Da hätte für den Konzern einige Vorteile.
Autoren: Susanne Katharina Opalka und Sascha Adamek